Marion Jones ist richtig sauer.

Ostrau/Tschechien - Die schnellste Sprinterin der Welt legt sich mit dem mächtigsten Sportfunktionär an. Erbost hat Marion Jones "Ratschläge" von IOC-Präsident Jacques Rogge zurückgewiesen und nochmals ihre Unschuld in Sachen Doping beteuert. Gleichzeitig räumte die dreifache Olympiasiegerin aus den USA aber auch ein, in den vergangenen Jahren bei der Gestaltung ihres persönlichen Umfeldes "zweifelhafte" Entscheidungen getroffen zu haben.

Die Kommentare Rogges zu ihrer Vergangenheit seien "extrem ignorant für einen Mann in einer so mächtigen Position", sagte die 28-Jährige vor der Presse in Ostrau, wo sie am Dienstag im Super Grand Prix im Weitsprung antrat.

Jones: "Nicht immer eine glückliche Hand gehabt"

Jones war mit dem US-Kugelstoßer C.J. Hunter verheiratet, der vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney positiv auf Nandrolon getestet worden war. Ihr früherer Coach Charlie Francis war der Trainer des kanadischen Sprinters Ben Johnson, der 1988 in Seoul für den größten Dopingfall in der olympischen Geschichte gesorgt hatte. "Ja", räumte Jones ein, "bei meiner Entscheidungsfindung in Bezug auf gewisse Personen habe ich in der Vergangenheit nicht immer eine glückliche Hand gehabt."

Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, hatte sich in der englischen "Sunday Times" zu den Dopingverdächtigungen geäußert, denen sich Marion Jones und ihr Lebensgefährte Tim Montgomery seit Monaten ausgesetzt sehen. "Technisch ist sie heute unschuldig", sagte der Belgier zwar, ging dann aber zur Verbalattacke über: Jones sollte sich selbst fragen, ob Personen nicht einen bestimmten Eindruck von ihr bekommen und ihr vorhalten könnten: "Bist du sicher, dass du mit den richtigen Leuten zusammen lebst?"

Rogge: "Verdammt dumm"

Der IOC-Präsident zog auch die Zusammenarbeit von Jones mit ihrem früheren Trainer in Zweifel. "Eine Verbindung mit jemandem wie Charlie Francis ist keine Straftat, aber es ist verdammt dumm", erklärte Rogge. "Man kann sie nicht disqualifizieren, aber es ist dumm, mit einem Burschen zu trainieren, der einen Ruf wie Francis hat." Der IOC-Chef "empfahl" der Weltklasse-Leichtathletin, sie sollte sich "die Leute, die sie trifft, mit denen sie trainiert und zusammen lebt", sehr genau anschauen.

"Das ist ein extrem ignoranter Kommentar von ihm, den er gemacht hat, ohne die Umstände und die Situation zu kennen", wehrte sich die US-Sprinterin. Rogge hätte sie vorher fragen können, "und dann hätte ich ihm die Situation erklärt, von der er wenig weiß". Jones' Anwalt Joseph Burton nannte Rogges Kommentare "unverantwortlich", "äußerst zweifelhaft und unfair". Er sprach von einer "Hexenjagd" auf eine Athletin, die bisher jeden Dopingtest bestanden habe.

Die zweifache 100-m-Weltmeisterin (Bestzeit 10,65 Sekunden) beteuerte, "in meiner gesamten Karriere" nicht gedopt zu haben. "Ich bin 100-prozentig zuversichtlich. Ich mache mir da überhaupt keine Sorgen." Das Sprinterpaar Jones/Montgomery ist wegen vermeintlicher Verstrickungen in den Dopingskandal um das kalifornische Labor BALCO in die Schlagzeilen geraten.

Die fünffache olympische Medaillengewinnerin hat die Einnahme verbotener Substanzen immer bestritten; sie hat zudem eine Klage angekündigt, falls die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) ihre Olympia-Teilnahme verhindern will. Sie und 100-m-Weltrekordler Montgomery mussten im Vorjahr zum Fall BALCO vor Gericht aussagen. Die Untersuchungen gehen weiter.(APA/dpa)