Sein geschupfter Elfer, mit dem er die CSSR 1976 zum Europameister machte, ist einer der berühmtesten Momente der EM-Geschichte. Dass der Geniestreich eine leichte Übung war, warum Tschechien in Portugal eher nicht den Titel holen wird und Otto Baric ihm einst das Bier sogar auf dem Silbertablett servierte, erzählt er außerdem.

1. Mai 2004, Haugschlag im nördlichsten Waldviertel: Antonin Panenka hat die Osterweiterung der EU gerade mit einem Golfspielchen auf beiden Seiten der tschechisch-österreichischen Grenze begangen. Bei einem Achterl Weißwein stellt sich der Co-Trainer des tschechischen Zweitligisten Bohemians Prag den Fragen der vor ihm knienden ballestererfm-Abordnung und lässt dabei auch den "Prager Schmäh" nicht zu kurz kommen.

ballesterer fm: Sie haben gerade ein Golfturnier hinter sich. Haben Sie mit dem Golfschläger auch soviel Gefühl wie mit Ihrem rechten Fuß?

Antonin Panenka: Die Leute sagen, dass ich alle Sportarten, die man mit einer Kugel spielt, sehr gut beherrsche. Egal ob das jetzt Fußball, Billard, Tischtennis oder Golf ist.

Am stärksten waren Sie aber dennoch mit der Lederkugel. Wie würden Sie den Fußballer Antonin Panenka charakterisieren?

Meine Stärken waren sicher eine spielerische Intelligenz, ein konstruktives Abspiel. Ich wollte immer Tore schießen und vorbereiten. Meine Schwächen waren Kraft, Kondition, Kopfballspiel. Ich war nicht hart und ich war immer langsam. Meine Mitspieler haben gesagt: "Antonin ist nur schnell, wenn der Kassier mit dem Geld kommt." Meine sportliche Idee war, für die Zuschauer zu spielen. Wenn sie zufrieden waren, war das mein Sieg.

"Meine Mitspieler haben gesagt: 'Antonin ist nur schnell, wenn der Kassier mit dem Geld kommt.'"

Im heutigen Fußball werden Dinge wie Athletik und Schnelligkeit immer wichtiger. Wie gefällt Ihnen das?

Der heutige Fußball gefällt mir weniger als der vor 20 Jahren. Jetzt ist es sehr schnell, sehr aggressiv, zu viele Zweikämpfe. In meiner Zeit gab es acht, neun Spieler pro Mannschaft, die mit dem Ball was machen konnten, und zwei Laufmaschinen. Heute ist es umgekehrt. Ein, zwei Spieler sind technisch sehr gut und kreativ, beim Rest steht das Athletische und die Kraft im Vordergrund. Darunter leiden die spielerischen Ideen. Bei einer Mannschaft mit vier Regisseuren war es schwierig, alle zu decken. Jetzt gibt es einen oder zwei – und das ist kein Problem.

Sie beschreiben mangelnde Härte als eine Ihrer Schwächen. Haben Sie jemals Rote Karten gesehen?

Ich wollte mein fußballerisches Leben ohne Rote Karte beenden. Leider habe ich einmal eine gekriegt. Wir spielten mit Rapid in Eisenstadt, ich hatte einen Zweikampf gegen Premysl Bicovski, einem Mitspieler aus Bohemians-Zeiten. Er war eine Sekunde früher beim Ball, spielt ihn und fällt hin. Ich habe ihn nicht getroffen, aber er machte ein großes Theater. Also kommt der Schiri und zeigt mir die Rote Karte – und Bicovski hatte seinen Spaß.

Ihre Freistöße waren berüchtigt. Wie kommt man zu solchen Fähigkeiten?

Wichtig sind zwei Sachen: Erstens braucht man ein bisserl Talent. Das zweite ist Training. Als 16- bis 18-Jähriger habe ich jeden Tag mindestens ein bis zwei Stunden Freistöße geübt. Zwei Jahre lang: Freistöße, Penalties, Corner,... Danach muss man nur mehr im Training fleißig sein.

Welche Ihrer Tore werden Ihnen immer in Erinnerung bleiben?

Alle Tore, die ich mit dem Kopf geschossen habe. Ich meine, mit einer bestimmten Idee. Mir hat immer gefallen, wenn der Ball genau das gemacht hat, was ich von ihm wollte.

Ihr berühmtester Treffer war sicher im EM-Finale 1976 gegen Deutschland, als sie den entscheidenden Elfer in die Mitte des Tores geschupft haben. Was haben Sie sich dabei gedacht?

Die ganze tschechische Mannschaft war damals in einer sehr guten Stimmung. Wir waren optimistisch, weil wir viel besser abgeschnitten hatten als erwartet. Dass ich den Elfer so schießen werde, das habe ich schon Monate davor gewusst. Ich habe auch gewusst, dass ich hundertprozentig erfolgreich sein werde damit. Schon gegen Holland wollte ich so einen Elfer schießen, aber dann haben wir in der Verlängerung gewonnen und ich musste bis zum Finale warten. Gott sei Dank. Es war sehr leicht.

Haben Sie Sepp Maier seitdem wieder getroffen?

Ja, ein paar Mal. Es hat ihn lange geärgert. Erst als ich bei einem späteren Spiel einen Penalty gegen ihn verschossen habe, war er zufrieden.

War es eine besondere Genugtuung für Sie, den regierenden Weltmeister Deutschland auf diese Art zu besiegen?

Wir hatten in diesem Finale einen ganz großen Vorteil. Die Deutschen waren eine berühmte Mannschaft, wir waren Unbekannte. Sie mussten gewinnen und wir konnten gewinnen – das war der große Unterschied.

Was waren die entscheidenden Faktoren für den EM-Titel?

Wir hatten eine super Mannschaft. Da waren zwei, drei kämpferisch gute Spieler, zwei, drei kopfballstarke Spieler, mehrere Spielmacher und schnelle Spieler – das war so eine gute Mischung. Wir waren ein schwarzes Pferd.

Wer waren ihre wichtigsten Mitspieler?

Ich habe immer gern mit einem schnellen Stürmer gespielt – wie mit Keglevits bei Rapid. In der 76er-Mannschaft war das Frantisek Vesely, der später auch bei Rapid gespielt hat. Wichtig waren auch die Trainer – Joszef Venglos und Vaclav Jezek. Jezek hat uns immer motiviert und angetrieben. Venglos war ein ganz anderer Typ: Er ist immer ruhig geblieben, war clever, hat viel mit uns gesprochen.

Wie war der Empfang in Prag?

Das war ein bisschen problematisch. Das kommunistische System hat eine Sonderbehandlung nicht zugelassen. Wir hatten zwar einen großen Erfolg gefeiert, konnten uns aber nichts davon kaufen. Jetzt ist das ja alles anders. Aber damals waren wir Europameister und das war alles – keine Werbung, keine Reklame, nichts.

Sie haben in der Tschechoslowakei nur für Bohemians Prag gespielt. Was verbindet Sie mit diesem Klub?

Ich habe 23 Jahre für die Bohemians gespielt. Der Verein war die dritte Kraft in Prag hinter Sparta und Slavia und hatte immer den Ruf, einen technisch guten Fußball zu spielen. Außerdem waren die Bohemians schon immer ein sehr familiärer Verein und eigentlich im ganzen Land beliebt. Was vielleicht auch daran gelegen ist, dass wir auswärts oft drei bis vier Gegentore bekommen haben.

Wie geht es den Bohemians heute?

Leider stehen wir an einem Punkt, wo der Verein überlegt, Schluss zu machen. Heuer feiern wir das 100-Jahr-Jubiläum, aber wahrscheinlich geht bald nichts mehr. Wir haben 20 Millionen Kronen Schulden, das Stadion gehört nicht dem Verein, es gibt keine eigenen Trainingsplätze – wir haben nur die Mannschaft und unser Känguruh (Anm.: Wappentier). Es gibt im Moment keinen Hauptsponsor und wir brauchen jedes Monat viel Geld für die Mannschaft.

"Wichtig sind zwei Sachen: Erstens braucht man ein bisserl Talent. Das zweite ist Training."

Stand während Ihrer Zeit in der CSSR jemals ein Vereinswechsel zur Debatte?

Als wir in der zweiten Liga spielten, ist Sparta an mich herangetreten. Ich war jung und wollte hinauf. Die Funktionäre haben zu mir gesagt, es ist möglich, dass ich in die erste Liga gehe, aber nur nicht zu Sparta. Ein halbes Jahr später hat sich die Geschichte mit Slavia wiederholt. Die Spieler waren ein Inventar des Klubs, ein Vereinswechsel ohne Einverständnis der Funktionäre war unmöglich.

Wie kam es dann zu Ihrem Wechsel nach Österreich?

Nach der Europameisterschaft in Jugoslawien wurde der Druck auf unseren Verband größer, Wechsel ins Ausland zuzulassen. Also haben sie gesagt, wer älter als 32 ist und mehr als 45 Mal für die CSSR gespielt hat, darf wechseln. Ich hatte ein schönes Angebot von Lokeren aus Belgien. Weil ich aber erst 31 Jahre und neun Monate alt war, haben sie mich nicht gehen lassen.

Ein Mann nähert sich aus dem Off. Er entpuppt sich als der ehemalige Schiedsrichter Walter Hinterholzer.

"Grüß Sie, Herr Panenka. Kennst mich noch? Schiedsrichter!" Panenka (lacht): "Oh. Gibt mir immer Gelbe Karte!" – "Nein, dir nicht. Ich kann mich an drei Freistoß-Tore erinnern. Zwei in St.Pölten, eines in Graz" – "Ah, gut... Danke."

Warum wurde es Rapid und nicht Lokeren?

Ich hatte Angebote aus Spanien, Belgien, Schweden. Aber ich war über 32 Jahre alt, keine Laufmaschine, kein harter Spieler. Also, was sollte ich in Spanien? Ich habe gewusst, dass ich dort vielleicht nur ein Jahr spielen kann. Sicher hätte ich zehn Mal so viel verdient, aber ich glaube, dass es der richtige Schritt war. Wien war für mich das beste. Der österreichische Fußball war nicht so hart, nicht mit soviel Einsatz. Wien war nicht weit weg von Prag, es gab eine tschechische Schule für meine Tochter und Vesely war schon dort. Außerdem waren die Leute von Rapid, die mit mir gesprochen haben, sehr korrekt.

Was waren die größten Unterschiede zwischen dem Fußball in der CSSR und Österreich?

In der CSSR war alles auf das Kollektiv ausgerichtet, das war in Österreich ganz anders. Bei Rapid haben zum Beispiel alle für Krankl gespielt. Trainiert wurde in der CSSR intensiver. Allerdings haben wir unter Baric in jedem Training Fußball gespielt, während ich bei den Bohemians bis Mittwoch oft keinen Ball gesehen habe. Die Umstellung mit der Sprache war am Anfang ein großes Problem. Ich habe nur zwei Sätze sagen können: "Guten Tag" und "Noch ein Bier, bitte!".

Sie haben Otto Baric erwähnt. Wie war das Verhältnis zwischen Ihnen beiden?

Otto Baric war für mich ein super Trainer. Einer der besten, die ich erlebt habe. Er hat gewusst, wann die Mannschaft braucht ein bisserl frei und wann mehr Disziplin. Er war sehr korrekt und wenn er einen Gegner beobachtet hat, hat er sehr gut gewusst, mit welcher Taktik wir gegen diese Mannschaft spielen müssen. Er war ein ausgezeichneter Beobachter. Er hatte ein sehr großes Augentalent.

Baric gilt aber auch als autoritärer Typ. Gab es nie Streitereien mit ihm?

No, no, no – Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen: In der CSSR war alles verboten. Rauchen, Alkohol trinken, Knödel essen, drei Tage vor dem Spiel etwas mit seiner Frau oder seinem Mädchen haben. In meinem letzten Jahr bei Bohemians, ich war 32 Jahre alt und hatte zwei Kinder, spielten wir in Ostrau. Nach dem Spiel waren wir in einem Restaurant, und ich habe ein Bier bestellt. Zwei Stunden nach dem Spiel. Kommt der Trainer und sagt, es sei unmöglich, dass ich Bier vor der Mannschaft trinke. Ich musste eine große Strafe zahlen. Ein halbes Jahr später war ich in Österreich. Vor einem schweren Spiel in Innsbruck kommt der Baric mit einem Flaschenbier auf einem Tablett in unser Zimmer und sagt: "Anton, ich weiß du magst Bier. Trink eines, und du wirst besser schlafen." Am nächsten Tag habe ich zwei Tore geschossen. Das ist ein psychologisches Moment.

Stimmt die Anekdote, dass Sie sich manchmal zum Aufwärmen vor dem Spiel in die heiße Badewanne gelegt haben?

Nein, das ist natürlich nicht richtig. Was aber stimmt, ist, dass ich in Prag eine Stunde vor jedem Spiel eine Wurst gegessen habe.

Es ging also schon vor der Partie um die sprichwörtliche Wurst?

Wir haben vier Stunden vor dem Spiel gegessen. Ich habe dann wieder Hunger bekommen und wollte so nicht spielen. Ich mochte das einfach nicht. Meine Mutter hatte einen kleinen Kiosk, also bin ich eine Stunde vor dem Spiel immer dort hingegangen und habe eine Wurst gegessen. Wenn der Trainer das gewusst hätte, hätte er mich wahrscheinlich nicht aufgestellt.

Haben Sie damit gerechnet, dass es bei Rapid so gut laufen könnte?

Ich hatte fast keine Informationen über den österreichischen Fußball. Natürlich wusste ich von der Bedeutung von Rapid und Austria. Aber dass Rapid bereits 25 Mal die Meisterschaft gewonnen hatte, war mir nicht bekannt. Ich habe nicht einmal gewusst, dass sie wie Bohemians in Grün-Weiß spielen.

War es nach Ihrer Zeit in Hütteldorf so, dass Sie sich in finanzieller Hinsicht keine Sorgen mehr zu machen brauchten?

Ich habe in Österreich nicht soviel Geld verdient, wie viele Leute glauben. Ich musste von jedem Schilling 30 Prozent an die CSSR abliefern. Wenn ich zum Beispiel 60.000 pro Monat bekommen habe, musste ich 20.000 nach Prag schicken.

"Meine Mutter hatte einen kleinen Kiosk, also bin ich eine Stunde vor dem Spiel immer dort hingegangen und habe eine Wurst gegessen."

Wie verlief Ihr weiterer Werdegang?

St. Pölten hat mir angeboten, dass ich in Prag wohne und nur zu den Spielen komme. Also hab ich zwei Jahre für sie gespielt, dann war ich wieder zwei Jahre in Wien bei Slovan AC, dann zwei Jahre bei Hohenau. Die letzten beiden Jahre habe ich bei Kleinwiesendorf gespielt in der untersten Klasse, da war ich 45. Man kann sagen, dass Österreich meine zweite Heimat geworden ist. Ich mag die Leute, ich war immer sehr zufrieden – und was auch sehr wichtig ist: Der österreichische Weißwein ist Spitze.

Was wird Tschechien bei der EM in Portugal erreichen?

Ich bin nicht so optimistisch wie die meisten meiner Landsleute. Wir fahren nicht als Außenseiter nach Portugal, sondern als Favorit – und das ist sehr gefährlich. Der Druck auf die Spieler ist so groß, dass ich nicht weiß, ob sie es verarbeiten können. Wenn sie die Gruppenphase überstehen, können sie bis ins Finale kommen. Aber es wird schwierig: Die Holländer haben eine sehr gute Mannschaft. Die Deutschen zwar weniger, aber die Deutschen sind Deutsche.

Was erwartet die tschechische Öffentlichkeit von der Nationalmannschaft?

Alle erwarten sich mindestens das Semifinale. Aber drei Wochen auf höchstem Niveau zu spielen, voll konzentriert zu bleiben, ist sehr schwierig. Und die tschechischen Fußballer sind sehr sprunghaft: einmal oben, dann schnell wieder unten. Voriges Jahr hätte Tschechien die EM sicher gewonnen. Sicher. Aber heuer schaut es schon anders aus.

Wer wird Europameister?

Ich weiß eines sicher: Dass es nicht Österreich wird. Aber wer gewinnen wird? Es sind 16 Mannschaften. Wenn ich Lettland und zwei, drei andere chancenlose Mannschaften abziehe, kann jeder gewinnen.

Was halten Sie von Ihrem ehemaligen Mitspieler Hans Krankl als Teamchef von Österreich?

Wir sind sehr gute Freunde. Wir sehen uns fünf Mal, zehn Mal im Jahr. Als Österreich gegen Tschechien gespielt hat, hat er mich angerufen und wir haben uns zwei Mal getroffen. Ich habe ihm gesagt, wie unsere Mannschaft spielt. Wir sind sehr gute Freunde.

Wird er Erfolg haben?

Er ist eine Persönlichkeit, das ist klar... (lenkt ab, trinkt Wein)

Tschechien und Österreich sind durchaus vergleichbare Länder, trotzdem ist der tschechische Fußball bei weitem erfolgreicher. Was sind die Gründe?

Wir haben eine sehr gut funktionierende Jugendarbeit. Jeder Klub hat 14 bis 16 Nachwuchsmannschaften mit guten Trainern. Und weil die Besten schnell ins Ausland wechseln, bekommen auch die jungen Spieler in der Liga sehr früh Spielpraxis. Dazu kommt die tschechische Intelligenz. Wir sind sehr kreativ und haben eine sehr gute Inspiration. Die Österreicher spielen mit sehr viel Herz. Wenn man diese beiden Fähigkeiten kombinieren könnte, hätte man sehr gute Fußballer.

Sie haben den Spitznamen "Tonda" getragen. Was bedeutet er?

Das ist kein Spitzname, sondern die Kurzversion von Antonin. Mein wirklicher Spitzname war "Vous", was auf deutsch soviel heißt wie Bart.

Das Interview führten REINHARD KRENNHUBER und ERIC PHILLIPP. Fotos: DIETER BRASCH

ballesterer fm EM-Parties:

14.6.: FLUC (Wien, Praterstern)
19.6.: VEILCHEN (Graz, Forum Stadtpark)
4.7.: B72 (Wien, Gürtelbogen 72)

Beginn: jeweils 19.30 Uhr
Programm: EM-Spiele auf Großbild, Fußball-Videos, DJ-Line, Panini-Tauschbörse, Tipp-Kick,...