Paris - Die französische Staatsbahn SNCF muss keinen Schadenersatz wegen Zusammenarbeit mit der deutschen Nazi-Besatzungsmacht bei der Judendeportation während des Zweiten Weltkriegs bezahlen. Zu diesem Schluss gelangte ein Pariser Berufungsgericht am Ende eines Zivilverfahrens, das am vergangenen 30. März begonnen hat. Angestrebt hatte das Verfahren der 83-jährige Exilösterreicher Kurt Werner Schaechter, dessen Eltern beide in einem KZ umgekommen sind.

Das Pariser Zivilgericht hatte die Schadenersatzklage bereits im Mai 2003 in erster Instanz wegen Verjährung abgewiesen. Ein ebenfalls von Schaechter angestrebtes Verfahren wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" war von der französischen Justiz 1999 ebenfalls wegen Verjährung eingestellt worden. Der gebürtige Wiener, dessen beide Elternteile in den Konzentrationslagern Auschwitz und Sobibor ums Leben gekommen waren, bemüht sich seit Anfang der neunziger Jahre darum, die Mitverantwortung der SNCF an der Shoa zu beweisen. Er gründete zu dem Zweck die Vereinigung ETHIC ("Enquete sur la Tragique Histoire des Internements dans les Camps").

Verjährungsfrist

Zwischen Anfang 1941 und Ende August 1944 waren insgesamt 85.500 Männer, Frauen und Kinder von Frankreich in Nazi-Vernichtungslager transportiert worden. Schaechter wollte im zivilrechtlichen Verfahren einen symbolischen Schadenersatz von einem Euro erhalten. Laut Urteil beträgt die Verjährungsfrist in zivilrechtlichen Fragen allerdings zehn Jahre.

Entgegen der These der SNCF-Direktion vertrat Schaechter die Ansicht, dass die französische Staatsbahn nicht von den Nazis beschlagnahmt worden sei, sondern aktiv an der Deportation mitgearbeitet habe. Im Prozess legte der Exilösterreicher ein in den Vichy-Archiven von Toulouse aufgefundenes Dokument vor, in dem die SNCF vom französischen Verkehrsministerium für jeden transportierten Juden einen Fahrpreis verlangt. Die letzte Rechnung über 210.385 Franc stammt vom 12. August 1944, als sich die alliierten Truppen bereits Paris näherten. (APA)