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Foto: Reuters/Foeger/etat.at
W er immer in Österreich gesinnungsmäßige Relikte des Dritten Reiches zu erkennen glaubt, wird von der "Kronen Zeitung" unbarmherzig als Nestbeschmutzer entlarvt. Das ist ein Reflex, der keinen besonderen intellektuellen Aufwand erfordert, weshalb das Blatt nun seinen Chefanalytiker Peter Gnam mit der Aufgabe betraut hat, die patriotische Stoßrichtung des Herausgebers anzugeben und Josef Broukal als das neue Hassobjekt des Blattes zu entlarven. Normalerweise ist damit der Grundstein zu einer langen soliden Politikerkarriere gelegt, die ja bekanntlich auf zwei Voraussetzungen beruht: der Bekanntheit, die einem Beschimpfung in der "Krone" einbringt, und dem Qualitätsnachweis, dass kein ganz schlechter Mensch sein kann, wen der Geifer des Kleinformats netzt.

Dessen wackere Leser, redaktionell darauf getrimmt, Antifaschisten zu schlagen, wo sie sie treffen, sehen das natürlich anders. Gnam hatte kaum analysiert, Josef Broukal sprengte sich im Parlament politisch selbst in die Luft, da erinnerte sich auch schon eine Leserin: Auch im ORF hat er ziemlich unprofessionell die Zuseher mit seinen unnötigen Kommentaren belästigt. Tolerant wie "Krone"-Kunden aber nun einmal sind, meinte sie dennoch: Herr Broukal soll sich aus dem Parlament verabschieden und wieder das tun, was er auch sehr mangelhaft getan hat, nämlich von anderen geschriebene Texte vorlesen.

Und Gnam wusste: Schon beim ORF war Broukal dafür bekannt, als Egomane nicht teamfähig und jederzeit für einen Ausraster gut zu sein. Erstaunlich, wie lange er sich dennoch als egomaner Anchorman beim ORF gehalten hat. Aber Gnam weiß: Wer gegen rechtsextrem ist, dem ist alles zuzutrauen. Geht man davon aus, dass Broukal tatsächlich auf den Sturz von Gusenbauer als SPÖ-Chef aus war, dann ist dieses abenteuerliche Kapitel wohl beendet. Und jetzt ganz ruhig: Gesamt gesehen sollte man den "Fall Broukal" aber nicht überbewerten. Das war am Sonntag.

Am Montag enthielt sich Gnam jeder Überbewertung des "Falles Broukal", und zwar über die Länge einer ganzen Spalte. Wer aus der vorangehenden Reaktion der "Krone" befürchtet haben mochte, Broukal habe bereits Schreckliches angerichtet, wurde auf die Zukunft vertröstet. Was Josef Broukal mit seiner unglaublich primitiven Äußerung wirklich angerichtet hat, das wird kommen wie das Amen im Gebet.

Nur schwer findet man sich in der "Krone" nämlich damit ab, dass neben ihr auch andere Zeitungen einschlägig bekannt und Menschen verwerflich genug sind, diese auch zu lesen. Es werden nämlich einschlägig bekannte Zeitungen und Politiker in Frankreich und anderswo Broukal als Kronzeugen anführen, dass in Österreich sogar in Regierungsparteien weiter dem Nationalsozialismus nachgetrauert wird.

Aufgrund der wiederholten Nachtrauerarbeit von Haider, Stadler und Konsorten dürfte das den einschlägig bekannten Zeitungen und Politikern in Frankreich und anderswo auch ohne Broukals Erinnerung längst einschlägig bekannt sein. Und auch trotz Broukals Entschuldigung. Die werden sie unter den Tisch fallen lassen oder vielleicht sogar als "Beweis" dafür nehmen, unter welchem öffentlichen Druck jemand steht, wenn er in Österreich die Wahrheit sagt. Gar nicht so schlecht analysiert - für Gnam!

Und schon einen Tag später konnte er triumphierend feststellen: Auf den Österreich-Korrespondenten der "Süddeutschen Zeitung" ist Verlass: Wie von der "Krone" vorausgesagt, feierte er in seinem Blatt Josef Broukal nach dessen dreist-dummem Sager, wonach die ÖVP und FPÖ dem Nationalsozialismus nachtrauern würden als Superstar und "kommenden Mann in einer siechen SPÖ".

Um seine Voraussage als eingetroffen rühmen zu können, musste Gnam allerdings zu einer kleinen Notlüge greifen. Michael Frank hat in der "Süddeutschen" Broukal mit keinem Wort gefeiert, sondern nüchtern und wertfrei von Broukal, der als kommender Mann der siechen SPÖ gilt, geschrieben. Das hilft ihm aber gar nichts. Der "Süddeutschen" werden andere Zeitungen in Europa folgen, betätigte sich Gnam gleich wieder voraussagend. Zeitungen bzw. Fernsehstationen, die seit Jahr und Tat Zeugen dafür suchen, dass die Nazi-Pest auch heute noch in Österreich grassiert. Wo sie es doch aus der "Krone" besser wissen müssten.

Gnams Qualitäten als Wahrsager sind unbestritten, und nur einer kann sie untergraben - er selber. Hatte er Sonntag noch behauptet, Josef Broukal sprengte sich selbst in die Luft, ließ er ihn schon Dienstag auferstehen: Die Parteikarriere des Zeugen Broukal scheint unterdessen gesichert - er wird demnächst zum stellvertretenden SPÖ-Klubchef im Parlament gekürt.

Auf Gnam ist Verlass. Eine Version wird schon stimmen. (DER STANDARD; Printausgabe, 11.6.2004)