Belgrad - Eines ist diesmal sicher: Serbien wird bis Ende Juni einen Präsidenten bekommen. Dreimal scheiterten die Wahlen bereits an geringer Beteiligung. Inzwischen wurde das Wahlgesetz geändert, die vorgeschriebene Beteiligung von 50 Prozent abgeschafft. Sonntag findet die erste Runde statt, die Stichwahl 14 Tage später.

Unter den 15 Kandidaten gibt es laut Umfragen zwei Favoriten: Tomislav Nikolic von der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) und Boris Tadic, Kandidat der Demokratischen Partei (DS), der für die Fortsetzung der proeuropäischen Reformpolitik des vor einem Jahr ermordeten Premiers Zoran Djindjic steht.

"Sauberes Serbien"

Mit nationalistischen und sozialistischen Parolen pendelt Nikolic von Dorf zu Dorf und predigt ein "sauberes" Serbien, verspricht, mit dem organisierten Verbrechen abzurechnen. Die bisherige Privatisierung bezeichnet der Populist als eine "Plünderung Serbiens", die Massenentlassungen und Arbeitslosigkeit von rund 50 Prozent zur Folge hätte. Nikolic ist entschieden gegen die Auslieferung von Serben an das Haager Tribunal (dort sitzt sein Parteichef Vojislav Seselj ein), und für die Rückkehr von Serbiens Armee in den Kosovo. Tadic verspricht, Serbien als Präsident nach Europa zu führen.

Dem feschen Frauenliebling seien viele weibliche Stimmen sicher, heißt es. Tadic sollte den Kampfgeist wiederbeleben, mit dem die demokratischen Kräfte vor vier Jahren mit dem Regime Milosevic abgerechnet hatten. Der ehemalige Verteidigungsminister entschied sich aber für eine gemäßigte Kampagne. Er will die politischen Fraktionen versöhnen. Viele seiner Parteigenossen werfen ihm übertriebene Toleranz gegenüber "verbohrten Nationalisten" vor.

Außenseiterchancen hat auch der Kandidat der regierenden, von Milosevic-Sozialisten unterstützten Minderheitsregierung: Dragan Marsicanin stellt nationale Fragen vor internationale Verpflichtungen Serbiens, Aufbau von Institutionen vor Reformen, Religion vor Fremdsprachen im Unterricht. (DER STANDARD, Printausgabe 11.6.2004)