Die Prodi-Nachfolge ist nicht die einzige Personalentscheidung, die beim Gipfel ansteht. Eine Entscheidung soll auch über die Verlängerung des Mandats des jetzigen EU-Außenpolitikbeauftragten Javier Solana fallen. Dieser hat gute Chancen, erster EU-Außenminister zu werden. Der Posten soll neu mit der Verfassung geschaffen werden, könnte aber schon vor deren Inkrafttreten besetzt werden. Solana ist außerdem als Kommissionschef im Gespräch. Weiters steht eine Entscheidung über den stellvertretenden Generalsekretär des Europäischen Rates an, ein einflussreicher Posten, den derzeit der Franzose Pierre de Boissieu innehat. Deutschland und Frankreich könnten beim Gipfel ihren Streit um die Nachfolge von Europol-Chef Jürgen Storbeck beilegen. Berlin will den Vertrag Storbecks erneut verlängern, Paris hält an einem eigenen Kandidaten, Jacques Franquet, fest.
EU
Gipfel soll Verfassung und neuen Kommissionschef beschließen
Weitere Personalentscheidungen und Beschluss über Beitrittsverhandlungen mit Kroatien stehen beim Gipfel nach den Wahlen an
Brüssel (APA) - Der EU-Gipfel von Brüssel Ende nächster Woche soll
einen historischen Punkt in den europäischen Einigungsbestrebungen
setzen. In nur nur zwei Tagen wollen die 25 Staats- und
Regierungschefs der EU ihre erste Verfassung und ihrer wichtigsten
Behörde ein neues Gesicht geben. Die im Dezember gescheiterten
Schlussverhandlungen über die Verfassung sollen nun abgeschlossen
werden. Verknüpft mit dem Feilschen um Kompromisse ist die Ernennung
eines neuen EU-Kommissionspräsidenten für die nächsten fünf Jahre.
Einen sicheren Tipp gibt es nicht, die Liste möglicher Kandidaten
wurde zuletzt mit fast jedem Tag länger.Verfassungsverhandlungen
In den Verfassungsverhandlungen sind die großen institutionellen
Schlüsselfragen offen. Ungelöst ist der Streit um die
Stimmengewichtung im EU-Ministerrat, der im Vorjahr im Konflikt
zwischen Deutschland und Frankreich einerseits und Spanien und Polen
andererseits zum Scheitern geführt hatte. Entscheiden müssen die
Regierungschefs auch über die Größe und Zusammensetzung der künftigen
EU-Kommission. Nach Einschätzung von EU-Diplomaten kleinerer Länder
zeichnet sich ab, dass die unter anderem von Österreich vertretene
Forderung "Ein Kommissar pro Land" nur mit zeitlicher Begrenzung
durchsetzbar ist. Weiters müssen die EU-Chefs klären, in welchen
Bereichen sie vom nationalen Vetorecht abrücken und künftig
Mehrheitsentscheidungen zulassen. Fix ist, dass sich die EU erstmals
eine militärische Beistandsgarantie gibt, die allerdings auf den
"spezifischen Charakter" der Neutralen Rücksicht nimmt.
Prodi-Nachfolge
In Brüssel geht man davon aus, dass die Verfassung und die
Nachfolge des scheidende Kommissionspräsidenten Romano Prodi in einem
größeren Paket entschieden wird. So will etwa der britische Premier
Tony Blair Großbritannien vehement seine "roten Linien" - sprich
Einstimmigkeit in der Steuer-, Außen-, Sozial- und Justizpolitik -
verteidigen. Gleichzeitig kamen aus London Signale, Blair könnte
dafür einem integrationsfreundlichen EU-Politiker wie dem zuletzt
häufig als Favoriten genannten belgischen Premier Guy Verhofstadt
zustimmen. Im Gespräch für den Posten sind neben Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (V) auch dessen Amtskollegen aus Luxemburg und
Dänemark, Jean-Claude Juncker und Anders Fogh Rasmussen, oder die
Kommissare Chris Patten (Großbritannien) und Antonio Vitorino
(Portugal), um nur einige in Spekulationen genannte Bewerber zu
nennen.
Weitere Personalentscheidungen
Nach den vorbereiteten Schlussfolgerungen soll der EU-Gipfel auch
die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien mit Anfang
nächsten Jahres beschließen. Die Staats- und Regierungschefs werden
sich zudem einer Überprüfung der von bereits beschlossenen
Anti-Terror-Maßnahmen stellen müssen. Die EU-Kommission und die
irische Ratspräsidentschaft werden dazu Berichte vorlegen, in denen
Mängel bei der Umsetzung der Beschlüsse in den meisten
Mitgliedstaaten festgestellt werden. (APA)