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Alois Alzheimer würde am 14. Juni 2004 140 Jahre alt.

Foto: Archiv
Frankfurt/Main - Am 25. November 1901 wurde Auguste Deter in die Städtische Irrenanstalt Frankfurt am Main eingeliefert. Mit seltsamen Symptomen des Altersschwachsinns erregte die 51-Jährige die Aufmerksamkeit eines Psychiaters, der sich brennend für die organischen Ursachen von Hirnleistungsstörungen interessierte - ohne in der Fachwelt groß Gehör zu finden. Heute jedoch ist sein Name weltweit bekannt, steht er doch für die häufigste und schwerste Form der Demenz: Alois Alzheimer. Am 14. Juni 2004 würde der eigenwillige Neurologe 140 Jahre alt.

Alzheimer entdeckte eine Krankheit, die stellvertretend für das Dilemma des medizinischen Fortschritts steht: Die Menschen werden zwar immer älter, doch mit der Lebenserwartung steigt auch die Zahl schwerer Krankheiten. Genau so verhält es sich mit dem Absterben eines Großteils der Nervenzellen im Gehirn: Anfang des 20. Jahrhunderts galt dies noch als exotische Krankheit. Mittlerweile aber sind weltweit 20 Millionen Menschen davon betroffen, in Deutschland mehr als eine Million - Tendenz steigend.

Neue Krankheit vermutet

Bei Auguste vermutete der am 14. Juni 1864 in Marktbreit im Kreis Kitzingen geborene Arzt sofort, auf eine ganz neue Krankheit gestoßen zu sein. Die Autoren Konrad und Ulrike Maurer zitieren in ihrer Alzheimer-Biografie aus der Krankenakte: "Wie heißen Sie?" - "Auguste", "Familienname?" - "Auguste", "Wie heißt ihr Mann?" - "Ich glaube Auguste", "Ihr Mann?" - "Ach so, mein Mann...", "Sind Sie verheiratet?" - "Zu Auguste..."

Nach dem Tod der "völlig verblödet" gestorbenen Frau im Jahr 1906 sezierte der Mediziner deren Gehirn. Dabei stieß er auf Eiweißablagerungen und tote Nervenzellen - und hatte damit erstmals eine Erklärung für die seltsamen Symptome gefunden. Auguste machte Alois Alzheimer berühmt, allerdings erst posthum - denn der spätere Direktor der Psychiatrischen Klinik in Breslau starb schon 1915 im Alter von 51 Jahren an Nierenversagen.

Viel Skepsis zu Lebzeiten

Zu Lebzeiten stieß der Psychiater mit seinen Erkenntnissen, die er erstmals 1907 in der Schrift "Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde" veröffentlichte, noch auf viel Skepsis. 1911 folgte die Besprechung eines zweiten Falls unter dem Titel: "Über eigenartige Krankheitsfälle des späteren Alters."

Doch noch immer zweifelten die Kollegen - vielleicht auch deshalb, weil Alzheimer, der auch "der Irrenarzt mit dem Mikroskop" genannt wurde, als Vorreiter einer modernen Psychiatrie besonders kritisch beäugt wurde. So wählte er ganz im Gegensatz zum damals üblichen Vorgehen sanfte Methoden wie Dauerbäder zur Beruhigung aggressiver Patienten und setzte sich vehement gegen drastische Zwangsmaßnahmen in den Nervenheilanstalten ein.

Zahl der Patienten nimmt drastisch zu

Im 21. Jahrhundert weiß die Medizinwelt längst die Forschungen des von seinen Biografen als lebenslustig und besessen beschriebenen Wissenschaftlers zu würdigen. Und auch in der Öffentlichkeit stößt die Alzheimer-Krankheit auf enormes Interesse - nicht zuletzt wegen der vielen prominenten Patienten. 1994 hatte sich der kürzlich verstorbene frühere US-Präsident Ronald Reagan mit den Worten geoutet, er gehe dem "Sonnenuntergang seines Lebens" entgegen. Auch die Kinderbuchautorin Enid Blyton, die Schauspielerin Rita Hayworth und der Boxer Sugar Ray Robinson waren Opfer dieses Leidens.

Experten erwarten, dass die Zahl der Patienten weiter drastisch zunehmen wird. Hauptrisikofaktor der Erkrankung bleibt das Alter: Von den 60-Jährigen sind rund ein Prozent betroffen, von den 90-Jährigen leiden bereits 30 Prozent an dieser Demenz-Form, die sich in einer gravierenden Persönlichkeitsveränderung, Verhaltensstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen äußert. Und allem sonstigen Fortschritt zum Trotz ist die Medizin im Jahr 2004 zumindest in einer Hinsicht nicht viel weiter als zu Alois Alzheimers Zeiten: Noch immer ist das nach dem bayerischen Arzt benannte Leiden unheilbar. (APA/AP)