Moskau - Schon wurde die Investitionssumme für die zweite Bauphase auf 200 Millionen Euro bis Jahresende erhöht. Die erste Phase ist abgeschlossen - seit Februar produziert das österreichische Parkettwerk Kronospan nahe Moskau mit 340 Mitarbeitern MDF-Spanplatten und Laminatböden für den russischen Markt. Das größte Land der Erde mit seinen 145 Millionen Einwohnern schüttelt seine kommunistische Vergangenheit besonders im privaten Bereich ab - in atemberaubendem Tempo und Ausmaß werden Wohnungen renoviert, neu eingerichtet, neu gebaut.

Mutiger als die Konkurrenz

Schon lange hat Kronospan den Markt für sich erkannt und von außen beliefert - bis man mutiger war als die westliche Konkurrenz und vor eineinhalb Jahren eine eigene Produktion in Russland aufbaute: "Wir sind derzeit die Einzigen im Land, die Laminatböden herstellen. Neben der Qualität überrunden wir die Konkurrenz nun auch preislich", erzählt Produktionschef Hubert Weiß: "Mit den russischen Mitarbeitern produzieren wir auf absolut westlichem Niveau."

Gute Daten

Wirtschaftsaktivitäten in einem Land, das sich mit der Affäre um den Ölkonzern Yukos nicht im besten Licht präsentiert? "Die Causa hat einen gewissen Effekt für die, die Wirtschaft mit der ,amerikanischen Brille' über Charts betrachten", rückt der Leiter der österreichischen Außenhandelsstelle in Moskau, Johann Kausl, ein Bild zurecht: "Für die breite Basis der Unternehmer sind die guten Wirtschaftszahlen wichtiger."

Und deren gibt es genug: seit vier Jahren konsequent hohes Wirtschaftswachstum - auch heuer um sieben Prozent, entsprechend steigende Konsumausgaben und Reallöhne, Inflationsrate immerhin unter zwölf Prozent, hohe Währungsreserven durch Petrodollars. Und trotz aller Tücken und Mängel laut Kausl doch ständige Fortschritte in der Rechtssicherheit.

Export-Anstieg

Im europäischen Vergleich hat sich Österreich hervorragend auf dem russischen Markt positioniert. Abgesehen von Investitionen, unter denen sich in letzter Zeit etwa die Neusiedler-Gruppe, die Bundesforste oder Mayr-Melnhof statistisch stark ausnehmen, besticht der Anstieg des Exports. Zwar bleibt die Handelsbilanz infolge der hohen Energieimporte aus Russland negativ, aber Österreich konnte den Export auch im Vorjahr um zehn Prozent ausweiten und die Schallgrenze von einer Milliarde Euro durchstoßen.

Chance in Regionen

Rund tausend österreichische Firmen sind mittlerweile im Geschäft mit Russland, vielfach konzentriert auf Moskau und St. Petersburg. "Russland hat über zehn Millionenstädte. Da ist durchaus noch viel Steigerung drin", sieht Kausl den Fokus der nächsten Jahre denn auch auf der Bearbeitung der Regionen.

Mafia sei für 95 Prozent der österreichischen Exporteure kein Thema, für wirklich relevant hält Kausl dagegen die Osterfahrung: "Russland ist kein Markt für Anfänger." Die Spezifika der Markteroberung sind vielfältig: Der mentalitätsmäßige Bonus hilft Österreichern immerhin, wenn es um das Fingerspitzengefühl beim Zugang zu Geschäften und Verträgen geht; bei bürokratischen Hürden aber, Schikanen bei Zertifizierungen oder Prüfungen der Zuverlässigkeit von Partnern ist "Ost-Know-how" unabdingbar.

Gute Vorbereitung gefragt

"Man muss einiges wissen. Und man muss sich gut vorbereiten", sekundiert Weiß. Kronospan hat Berater vor Ort konsultiert, besonders aber Unterstützung in der Gebietsverwaltung von Moskau Umgebung erhalten. "Es hat sich auf jeden Fall gelohnt", macht Weiß mit seiner Erfahrung gerade verwandten Branchen Mut. Und Kausl sieht ein Faktum jedenfalls bestätigt: "Um den Preis der Risikoprämie ein Payback in einer Geschwindigkeit, die im Westen derzeit nicht zu erzielen ist." (sed, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.06.2004)