Am 12. Februar 1934 besetzten Militär und Heimwehr das Wiener Rathaus. Gegen 17 Uhr drangen Kriminalbeamte bei Bürgermeister Karl Seitz ein. Dieser protestierte telefonisch beim Polizeipräsidenten: "Ich weiche nicht dem Verfassungsbruch, ich weiche nur der Gewalt." Daraufhin trugen die Polizisten den 65-Jährigen aus seinem Arbeitszimmer und lieferten ihn in das Polizeigefangenenhaus ein.

Am nächsten Tag übernahm der christlichsoziale Politiker Richard Schmitz als Regierungskommissar die Geschäfte, am 7. April wurde er zum Bürgermeister ernannt und bekam drei von der Vaterländischen Front vorgeschlagene Stellvertreter - zwei Heimwehrler und den Soziologen Ernst Karl Winter (mit der Spezialaufgabe, die Arbeiterschaft zu versöhnen - wie dies endete, wird Thema der nächsten Folge sein). Durch die Verfassung vom 1. Mai wurde Wien zur "bundesunmittelbaren Stadt", bedurfte also keines Landeshauptmanns mehr.

Vor dem Rathaus nahm Schmitz zusammen mit Kanzler Dollfuß an diesem Tag eine "Ständehuldigung" entgegen. Statt des demokratisch gewählten Gemeinderats, durch die Aberkennung der sozialdemokratischen Mandate praktisch nicht mehr existent, wurde als neue gesetzgebende Versammlung eine "Wiener Bürgerschaft" ernannt. Ihre erste Amtshandlung war die Anerkennung des Verzichts auf mehr als 100 Millionen Schilling, der bereits 1933 von der Regierung durch eine Notverordnung verfügt worden war.

Schmitz kündigte ein Arbeitsbeschaffungsprogramm in der Höhe von 30 Millionen Schilling an, die Regierung zahlte aber davon nur ein Drittel aus. Damit wurde vor allem der Bau der Wiener Höhenstraße finanziert - ein Vorhaben, das bei der Masse der Wiener Bevölkerung, für die ein Automobil in jener Zeit einen ausgesprochenen Luxus darstellte, ebenso auf wenig Verständnis stieß wie die Wiedereinführung des Opernballs.

Der Bürgermeister sah sich immer wieder vor das Problem gestellt, mit den ohnedies eingeschränkten Finanzen auszukommen und gleichzeitig williges Werkzeug seiner Parteifreunde in der Regierung zu sein. Er jammerte vergeblich, dass "eine bürgerliche Verwaltung nicht in dem Maße belastet sein dürfe, wie es ihre Vorgängerin war" - womit er zugab, in welchem Ausmaß die Regierung Dollfuß seit 1932 das "Rote Wien" finanziell auszuhungern suchte.

Während mit der Abschaffung der zweckbestimmten Wohnbausteuer den Mittel- und Großbetrieben Erleichterungen gewährt wurden, setzte man nun dem kommunalen Wohnbau ein Ende. Die stattdessen geforderte private Wohnbautätigkeit hielt sich in Grenzen - nicht zuletzt deshalb, weil solche neuen Wohnungen für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich waren. Den Mieterschutz getraute sich Schmitz, obwohl man damit in den Kreisen des Regimes spekulierte, allerdings nicht anzutasten.

Auch in der Sozialpolitik wurden kräftige Abstriche gemacht. Mit einem Sozialprogramm im Sinne der päpstlichen Enzyklika "Quadragesimo anno" war den Arbeitslosen oder gar Ausgesteuerten, oft in ihrer Existenz Bedrohten wenig geholfen. "Die sozialen Massennotstände . . . ließen die Anforderungen an die öffentliche Fürsorge in einem bisher kaum erlebten Umfange steigen, während fast in gleichem Maße die verfügbaren Mittel einschrumpften."

Trotz dieser Nöte wurde Schmitz den Forderungen, mit denen seine Parteigänger vor allem gegen den sozialdemokratischen Finanzstadtrat Hugo Breitner gehetzt hatten, gerecht: Die Luxussteuer und die Abgaben für Hauspersonal und Pferde wurden abgeschafft. Dagegen wurden die Massen belastet: Eine "Coloniagebühr" für die Leerung der Mistkübel, bisher von der Gemeinde gratis besorgt, wurde eingeführt, abgabenfreies Trinkwasser gab es nur mehr bei sparsamem Verbrauch bis maximal 15 Liter. Wie sehr das Regime vor allem bei den Ärmsten zu sparen verstand, zeigt die Tatsache, dass in den neu errichteten Baracken der "Familienasyle" für Obdachlose weder Strom noch Gas eingeleitet wurde.

Auch wenn der Volksmund dem Bürgermeister (der dann die gesamte Nazizeit im KZ verbrachte) nicht gerecht wurde, als man in Spottversen über die Regierung reimte "Doch der böseste aller Geister ist der Schmitz, der Bürgermeister" - für die Wiener war er der unmittelbare Repräsentant des Regimes. (Manfred Scheuch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13. 6. 2004)