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Ronald Pohl:
sudelküche seelenruh
Euro 19,-/
108 Seiten. Literaturverlag Droschl, Graz-Wien 2004.

Foto: Archiv
Nach einigen Gedichtbänden und der möwensimulator -Trilogie legt Ronald Pohl mit dem Band sudelküche seelenruh , der eine einleitende Erzählung, eine Komödie und ein Brevier umfasst, erstmals Prosa in Buchform vor. Das Geschehen in der als "Gesang" untertitelten Erzählung von dem nur auf eigenen Vorteil bedachten "Mordsbuben" Jaromir, der mit der ukrainischen Industriellen Ljuba einen Winterurlaub verbringt, ist unspektakulär: Er betrügt sie mit einer Jüngeren, zuvor sticht er Ljuba "nur so" mit dem Skistock in den Bauch und schmeißt, als Antiheld, der Wirtin Gehstock über die Brüstung, und während die drei anhand des Stahlbaus über die Rückständigkeit der Slawen disputieren, verbrennen die Kaisersemmeln.

Dem modellhaften Textaufbau kontrastiert dabei Pohls barocke Umschreibungslust. Die Position steter Distanz ermöglicht es ihm, die Figuren in bester Komik zu zeichnen. So weit möglich, werden die Wörter über das je vordergründig Gemeinte hinaus zudem mit einer sexuellen Zweitlesart aufgeladen. Das für die nachfolgenden Teile charakteristische Verschieben der losgelassenen Signifikanten hat so auch hier im Narrativen bereits statt.

Nach dem belanglosen Tölpel Jaromir stoßen wir in der Komödie der sudelküche auf die Unverfrorenheits-Totale der Phrasendreschmaschinerie der Bewohner einer abgehausten Pension, die sich in rhetorischen Verrenkungen und Haarspaltereien ihren Mangel zu Fülle zurechtreden. Eine Unzahl von Idiomen wird da modifiziert, gekappt, gekreuzt. Als Basis dienen Pohl die Figuren und Motive der Horváthschen Komödie Zur schönen Aussicht. Bei Horváth, der wie Pohl eine Synthese zwischen Ironie und Realismus anstrebt, fordert dessen Christine gegen Ende ein anderes Gesetzbuch; Pohls Marianne dagegen verlässt die Pension die Internationale summend. Auch bei ihm geraten die Bewohner zuvor zu einer mehrköpfigen gemeinsamen Ausgeburt an Gemeinheit und Schönrederei.

Die Verzerrungen der Reden - unentwegt geschraubt, gestelzt und sich windend - werden auf heute relevante Weise umgemünzt. Und wiederum mit einer "aufgeladenen" Sprache, diesmal in Richtung Kost, Kot und dem mehrdeutigen "Geschäft". Die sinnverzerrende Geschäftigkeit des Handels prägt auch die Sätze des abschließenden Breviers (Serners Handbrevier für Hochstapler klingt mit an), in dem sich diese endgültig verselbstständigen und so nicht nur eine Art sinnlos gewordenen Mehrwert versinnbildlichen, sondern zugleich eben als dessen überschießende Form geraten. Über den durchgehend doppelbödigen Sätzen schwebt der allumfassende Absatzmarkt, die Weltsicht der vermehrt alle Politik bestimmenden Sprache der Händler. Die Sätze implodieren. Was bleibt, ist das Wachhalten einer negativen Utopie und das Lachen des Satirikers. Wir hoffen mit ihm auf Einsturz: "gute pute. gute nacht." (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.6.2004)