Illustration: Der STANDARD

Wenn man die Sprache und die Literatur eines Landes vertritt, vertritt man die Kultur, und da muss man das Land kennen." Für Michael Metzeltin, Universitätsprofessor für Romanistik an der Universität Wien, ist das nicht voneinander zu trennen. So ist die Sprache das Gepäck, aus dem er sich beim Reisen bedient - um zu verstehen.

Fast verschämt erzählt er, dass er dafür liebend gern in fremden Ländern - derzeit bereist er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bevorzugt die Länder der ehemaligen k. u. k. Monarchie - das Angebot in Warenhäusern begutachtet. Man erfahre dabei so viel über eine Kultur. "Als wissenschaftlich" mag das in Fachkreisen zwar nicht gelten, befürchtet er. Das allein macht es aber ohnehin nicht aus. Seine Arbeit in der Sprachforschung und -lehre hat ihm vor wenigen Wochen den Ruf an die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eingebracht. Er wurde neben vier anderen Wissenschaftern zum "wirklichen Mitglied" gewählt. Eine Auszeichnung, die den besonnen wirkenden 61-Jährigen "echt gefreut" hat.

In der Balkankommission der ÖAW nimmt Metzeltin nun ein spannendes Projekt in Angriff. Er wird mit Kollegen den Wortschatz und die Grammatik dreier vollkommen unabhängig voneinander entstandenen Sprachen analysieren. "Wie kommt es dazu, dass von ihrem Ursprung und ihrem Wortschatz her so verschiedene Sprachen in der Grammatik doch so ähnlich sind?" Das Rumänische gehört zu den romanischen Sprachen (wie Spanisch, Portugiesisch, Italienisch und Französisch), das Bulgarische zu den slawischen Sprachen, Albanisch ist eine "Sprachinsel". Ziel des Forschungsprojekts ist es, eine Typologie der Grammatik zu erstellen und damit erstmals Parallelitäten zu dokumentieren. In einem zweiten Projekt wird der "Zivilisationswortschatz im südosteuropäischen Raum 1840-70 - der rumänische Verfassungswortschatz" untersucht.

"Wenn man als Schweizer ins Ausland geht, kommt man nicht mehr zurück", ist Metzeltins Erfahrung. Dieses geflügelte Wort aus der Heimat wurde für ihn Realität. Das Leben des Vaters zweier erwachsener Söhne war immer vom Reisen bestimmt. Vom schweizerischen, italienischsprachigen Sorengo aus brach er als Student mithilfe von Stipendien auf, viele Jahre zog er durch Deutschland, die Niederlande oder Portugal, hatte etliche (Gast-)Professuren inne. Beim Reisen ist er geblieben, doch seit 1989 lebt er in Wien.

Sich in Wien niederzulassen hatte für den Hobbytänzer und -eisläufer zwei Gründe: einen sentimentalen, weil schon seine Mutter hier promoviert hatte. Außerdem war da die Faszination, "in einer Hauptstadt zu forschen und zu lehren" - in der Hoffnung auf gute Bedingungen, die er, so meint Metzeltin, bis heute in Wien vorfinde. (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13. 6. 2004)