Das DDR-Grenzhäuschen am ehemaligen Übergang Checkpoint Charlie in Berlin-Mitte verschwand vor einigen Wochen plötzlich hinter einer blauen Plastikplane. Nicht Verpackungskünstler Christo verhüllte das nach dem Brandenburger Tor und dem Reichtag beliebteste Fotomotiv der Touristen, sondern die Chefin des benachbarten Mauermuseums, Alexandra Hildebrandt. Sie war so erbost über Schauspielschüler, die vor diesem früheren Grenzkontrollpunkt in der geteilten Stadt in Uniformen der DDR-Volkspolizei für Fotos posierten und dafür einen Euro kassierten, dass sie ihnen das Motiv und damit ihr Geschäft kaputtgemacht hat.

Mit dieser Aktion wolle sie "gegen das Vergehen an der Geschichte" protestieren, so die aus der Ukraine stammende Museumschefin. Schließlich seien hier am Grenzübergang bis zum Mauerfall 1989 flüchtende DDR-Bürger erschossen worden.

"Geschichte zum Anfassen"

Die Laien-Vopos argumentieren, dass sie nur "Geschichte zum Anfassen" vermitteln wollen. Denn es gebe in Berlin kaum noch Mauerreste oder andere Orte, wo man sich an die Teilung in Ost und West erinnern könne - schon gar nicht anschaulich. Sie demonstrierten ihrerseits in den vergangenen Tagen vor dem Grenzhäuschen - eingewickelt in Toilettenpapier. Unterstützt werden die Polizistendarsteller sogar von Stasi-Opferverbänden, die die Museumschefin aufgefordert haben, mit ihrer Aktion endlich Schluss zu machen.

In den seit Wochen öffentlich ausgetragenen Streit, wie das Andenken an die DDR-Grenze dargestellt werden könne, hat sich nun die Stadt Berlin offiziell eingeschaltet, nachdem informelle Vermittlungsversuche nicht fruchteten. Am Freitag ordnete die Stadt Berlin an, dass die blaue Plastikverhüllung um das Grenzhäuschen bis heute, Montag, entfernt werden müsse. Geschehe dies nicht, werde man dies selbst tun, notfalls mithilfe der Polizei, drohte die zuständige Behörde, das Tiefbauamt von Friedrichshain-Kreuzberg. Außerdem wird eine Geldbuße von bis zu 10.000 Euro angedroht.

Hildebrandt selbst schaltete Anwälte ein und legte Widerspruch gegen den Bescheid ein. Der bizarre Streit um eine der bekanntesten Berliner Touristenattraktionen dürfte damit nun auch vor Gericht ausgetragen werden. (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, Der Standard, Printausgabe, 14.06.2004)