Wien/München - Im verstärkten Bestreben, die Herkunft von Menschen zu überprüfen, ist die Kriminalistik jetzt auf eine Methode gekommen, die sich äußere Umwelteinflüsse zunutze macht: die Isotopenanalyse. In Bayern führte das Verfahren, mit dem auch schon die Abstammung der Gletschermumie Ötzi nachgewiesen werden konnte, erstmals auf die Spur eines Mordverdächtigten.

"Die Umgebung hinterlässt Spuren in jedem Körper", erklärt Professor Edith Tutsch-Bauer, die Leiterin des Salzburger Instituts für Gerichtsmedizin. Bestimmte Formen von Atomen, so genannte Isotope von Elementen wie Blei, Strontium, Wasserstoff, Kohlenstoff oder Stickstoff kommen in unterschiedlichen Regionen in ganz bestimmten Mengenverhältnissen vor. Über Trinkwasser, Atemluft und Lebensmittel gelangen die chemischen Elemente in den Körper und hinterlassen einen unverwechselbaren "Isotopen-Fingerabdruck".

Ganze Lebensbilder

Ganze geografische Lebensbilder können theoretisch erfasst werden. In den Zähnen nachweisbar sind die Orte von Kindheit und Jugend, in Fingernägeln und Haaren lassen sich die Aufenthaltsorte der letzten Monate nachweisen.

Wissenschafter der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben sich auf die Klärung der Herkunft von unbekannten Toten spezialisiert. Vor kurzem konnte so die Identität eines Mordopfers geklärt werden. Die 40-jährige Frau war vergangenen November bei Scharnitz misshandelt und ermordet worden. Die Isotopenanalyse ergab, dass die Frau die letzten Monate in Norditalien verbracht haben muss. Mit dieser Erkenntnis konnte die Kripo gezielt nach der Herkunft der Schmucks der Toten suchen. Und tatsächlich gelang es, die Frau zu identifizieren, sie war Italienerin. Mittlerweile läuft eine weltweite Fahndung nach einem tatverdächtigen Mann aus dem engeren Bekanntenkreis des Opfers.

Vergleichsdaten

Im heimischen Bundeskriminalamt (BK) gehört die Isotopenanalyse noch nicht zum Standard-Repertoire. "Die Methode ist noch sehr jung", meint BK-Sprecher Gerald Hesztera. Der Haken an dem Verfahren ist, dass für die zuverlässige Herkunftsbestimmung eine Referenzliste angelegt werden muss - also flächendeckende Daten über die Isotopenverteilung in unterschiedlichen Regionen. Daran wird in München gerade gearbeitet.

In der Archäologie werden Radioisotope des Kohlenstoffes (C,) genauer deren Halbwertszeit, zur Altersbestimmung eines Materials eingesetzt. Der 1991 am Hauslabjoch gefundene Ötzi wurde damit auf ein Alter von rund 5300 Jahren datiert. Aber auch über seine Herkunft lieferte die Isotopenanalyse wertvolle Hinweise. Ötzi wuchs im heutigen Südtirol auf.

Mit einer Isotopenanalyse kann aber auch festgestellt werden, ob Wein gepanscht ist. Wissenschafter der Seibersdorf Research und der Universität für Bodenkultur spüren so Zusätze wie Zucker oder Wasser auf. In Bayern wird mit der speziellen Signatur der Elemente die Herkunft von Spargelsorten festgestellt. Denn so manches Spargelessen entpuppt sich im Nachhinein als billiger Reinfall. (Michael Simoner, Der Standard, Printausgabe, 14.06.2004)