Kritik von Cruyff
Vor allem das niederländische Lager steht unter Strom. Der entsetzte Cruyff rechnet mit dem nach dem Streit über das System ohnehin im Kreuzfeuer stehenden Bondscoach Dick Advocaat schon vor dem ersten Spiel ab. Im staatlichen TV vor einem Millionen-Publikum sprach das nationale Fußball-Denkmal der heutigen Auswahl den nötigen Teamgeist und unbedingen Erfolgwillen ab. Advocaat hat es nicht geschafft, aus einem Großaufgebot an genialen Individualisten eine eingespielte Mannschaft zu formen.
Nach Clarence Sedorf, der sich von seiner Muskelzerrung erholt hat und im Kader aufscheint, und Patrick Kluivert, die beide mit Advocaat kein gutes Verhältnis haben, meldete sich auch der sonst eher ruhige Roy Makkay zu Wort und beschwerte sich kurz vor dem Spiel gegen den Nachbarn über seine Reservistenrolle. "Glauben Sie mir, die Deutschen haben Angst vor mir. Psychologisch wären wir mit mir doch klar im Vorteil", forderte der Bayern-Stürmer im "Algemeen Dagblad" erneut seinen Einsatz.
van Nistelrooy geschichtlich
Und die Aussagen von Ruud van Nistelrooy sorgten sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland für Schlagzeilen und Empörung. Der ManU-Stürmer hatte zum Länderspiel gegen den ungeliebten großen Nachbarn gemeint: "Hier geht's nicht nur um bisherige Fußball-Duelle, sondern auch geschichtliche Hintergründe. Vor allem um das, was vor 60 Jahren passiert ist." Er rechnet mit einem "harten, sehr engen und umkämpften Spiel."
Der Teamchef, dessen Truppe sich für das WM-Fehlen unbedingt rehabilitieren möchte und auch muss, zeigt sich von der Dauerkritik, die über ihn hereinprasselt, und der internen Unruhe nach außen hin unbeeindruckt. "Ich habe mein Team im Kopf", sagte der 56-jährige Advocaat knapp, ohne aber seine elf Auserwählten namentlich zu verraten. Es handle sich um die für ihn angeblich schon seit Wochen feststehende "Wunschformation". Der Trainer glaubt, dass "es sicher ein Spiel mit vielen Zweikämpfen im Mittelfeld" wird.
Kuranyi als einzige Spitze
Ruhig und konzentriert, eben mit deutscher Gründlichkeit zählen die Mannen von Teamchef Rudi Völler, der einen orangen Angriffswirbel erwartet und daher ein Defensiv-Bollwerk und mit Kevin Kuranyi nur auf eine nominelle Spitze setzten dürfte, den Countdown runter. Inzwischen kamen bei Oliver Kahn Erinnerungen hoch. "Ich habe das exakt gleiche Gefühl wie vor der WM 2002", sagte der Torhüter des FC Bayern. In Japan und Südkorea hatten die Deutschen ihrer Referenz, eine Turnier-Mannschaft zu sein, alle Ehre gemacht und sind Vize-Weltmeister geworden.
Die Leute seien zwar skeptisch, was die deutschen EM-Chancen betrifft, aber "wenn wir als totale Einheit auftreten und jeder einzelne Spieler sein Bestes gibt, dann ist auch wieder etwas möglich für uns." Die Geschichte, so Kahn, könnte Deutschland Inspiration verleihen. "Die Vergangenheit hat gezeigt, wir können und zusammenfinden, steigern und erfolgreich sein. Genau das ist in Asien vor zwei Jahren passiert", appelliert der Kapitän an seine Mitstreiter. Und Michael Ballack fügt hinzu: "Wir haben immer gezeigt, wenn's drauf ankommt, sind wir da."(APA/dpa/Reuters)
Deutschland: Kahn - Friedrich, Wörns, Nowotny, Lahm - Schneider, Baumann, Hamann, Ballack, Frings - Kuranyi
Niederlande: Van der Saar - Heitinga/Reiziger, Bouma, Stam, Van Bronckhorst - Sneijder, Cocu, Davids - Van der Meyde, van Nistelrooy, Van der Vaart