VP-NÖ-Chef Erich Pröll appelliert an die FPÖ, Nerven zu bewahren.

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll erklärt Barbara Tóth, warum Jörg Haiders Probleme nicht seine sind - und warum er einen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Grün nie ausschließen würde.

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STANDARD: Herr Landeshauptmann, hat dieses Wahlergebnis Ihrer Meinung nach auch bundespolitische Auswirkungen?

Pröll: Zuerst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass das EU-Wahlergebnis aus niederösterreichischer Sicht sehr erfreulich ist. Es hat sich gelohnt, die europäische Perspektive nicht als leibhaftigen Teufel an die Wand zu malen, sondern als Perspektive zu sehen. Niederösterreich ist nach dieser Wahl weiter gestärkt - in Brüssel und Wien.

STANDARD: Die FPÖ kann weniger zufrieden sein. Kommt Ihrer Partei jetzt der Koalitionspartner abhanden?

Pröll: Meine Distanz zu dieser Koalitionsform war von Anfang an bekannt. Aber es kann nicht so sein, dass wegen der Befindlichkeit der FPÖ staatspolitische Interessen gefährdet werden. Wer A sagt, muss auch B sagen. Das heißt, die Regierungskoalition ist durch die Legislaturperiode hin durchzutragen. Befindlichkeiten von einzelnen FPÖ- Funktionären sind da hintanzustellen.

STANDARD: Sie appellieren an die FPÖ, ihre Regierungsverantwortung ernst zu nehmen?

Pröll: So ist es. Bloß weil Jörg Haider vor den Scherben seiner politischen Karriere steht, kann nicht die Koalition infrage gestellt werden. Aber zum Glück gibt es liberale Kräfte in der FPÖ, die das genauso sehen. Alles andere wäre politischer Selbstmord.

STANDARD: Was passiert, wenn die liberalen Kräfte in der FPÖ unterliegen? Ist eine solche FPÖ für Sie dann Grund für einen Koalitionsbruch?

Pröll: Ich gehe einmal davon aus, dass die FPÖ ihre staatspolitische Verantwortung ernst nimmt. Wenn die FPÖ nach rechts rückt, wird man das neu diskutieren müssen. Aber ich setzte auf die liberalen Kräfte in der FPÖ.

STANDARD: Ist die ÖVP für allfällige Neuwahlen gerüstet?

Pröll: Darüber möchte ich jetzt nicht nachdenken. Aber natürlich sind wir jederzeit gerüstet. STANDARD: Aber wie kann die ÖVP mit einem Koalitionspartner regieren, der, wie Sie sagen, durch politischen Selbstmord gefährdet ist?

Pröll: Hier sehe ich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gefordert. Er hat in den letzten Tagen bewiesen, dass er in der Lage ist, den Koalitionspartner in die Schranken zu weisen. Ich habe volles Vertrauen darin, dass er das auch in Zukunft handhaben kann.

STANDARD: Bei den EU-Wahlen hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Stadtpartei Wien mehr oder weniger nicht mehr existiert? Ist die Bundespartei gefragt?

Pröll: Natürlich kann das der Bundespartei nicht egal sein. Auf Dauer kann Niederösterreich die Kohlen nicht aus dem Feuer holen. Wer nicht hören will, muss fühlen.

STANDARD: Es gibt auch Spekulationen über einen fliegenden Wechsel zu den Grünen. Ist das für Sie eine Option?

Pröll: Man muss den Realitätsgehalt dieser Spekulationen überprüfen. Und der ist derzeit nicht besonders hoch.

STANDARD: Aber ausschließen würden Sie es nicht?

Pröll: In der Politik gibt es einen Grundsatz: Sag niemals nie. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.6.2004)