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Dresden

REUTERS/Arnd Wiegmann
Sophienkeller heißt der lauschige Ort, an dem wir August den Starken zum ersten Mal treffen. Nicht direkt natürlich, der alte Kurfürst von Sachsen und König von Polen lebte schließlich im 18. Jahrhundert. Aber tief unten in den Gewölben des erst kürzlich wiederhergestellten Taschenbergpalais', neben Zwinger und Semper-Oper und folglich im Herzen Dresdens, ist nicht nur sächsische Gastfreundschaft, sondern auch der Atem der Geschichte fast körperlich spürbar.

Dresden, einst als Elbflorenz besungen und dann in der Apokalypse des alliierten Bombardements verglüht, ist drauf und dran, zu altem Glanz zurückzufinden. Nicht ganz so prachtvoll wie auf Canalettos Bildern, aber immerhin. Die Narben des Krieges sind zwar noch deutlich präsent, daneben wird aber gebaut, restauriert und instandgesetzt, was das Zeug hält. So gehen die Arbeiten an der Frauenkirche ebenso zügig voran wie am Wettiner-Schloß, und Pöppelmanns Zwinger ist zwar ein Dauersanierungsfall, doch das macht nichts. Dahinter liegen die Kathedrale, die Brühlschen Terrassen, das Albertinum, und jenseits der Augustusbrücke läßt sich der Stadtbummel in der Neustadt fortsetzen. Wer sich für die weltberühmten Kunst-und Gemäldesammlungen (mit Raffaels Sixtinischer Madonna) interessiert, sollte sowieso allein dafür zwei Tage einplanen. Mindestens. Demnächst startet auch der Weihnachtsmarkt, Deutschlands ältester, seit 1434.

Dresden, und das ist ein Glück, ist vom Massentourismus noch nicht so überlaufen, wie man befürchten könnte (und die Stadtväter sich wünschen). Bis das der Fall ist - was bei der kulturellen Potenz der dynamischen Metropole rasch passieren kann - sollte man die Gelegenheit nützen, Stadt und Umgebung unbedrängt kennenzulernen. Am Stadtrand liegen Schloßanlagen wie Pillnitz, Radebeul mit den Karl-May-Museum ist auch nicht weit, und die Schönheiten des Elbsandsteingebirges, der "Sächsischen Schweiz", haben sich eh schon bis zu uns durchgesprochen.

Im Gegensatz zum Reiz einer anderen Stadt, Görlitz, direkt an der Görlitzer Neiße gelegen. Noch kurz nach der Wende schien es, als würde die von der Unesco für die Aufnahme ins Weltkulturerbe vorgesehene Kommune endgültig verrotten, nun erstrahlt sie in neuem Glanz. Ganze Stadtviertel aus der Gründerzeit oder früher wurden mit großem Aufwand restauriert. Wieder wie neu ist auch die zweitürmige gotische Pfarrkirche St. Peter und Paul, deren imposante Lage auf einem Felsen über dem Neißetal von dort unten am besten zur Geltung kommt. Von dort aus sieht man auch jenes Häuschen auf der anderen, heute polnischen Seite der Neiße, in dem Jakob Böhme (1575-1624) seinem Schuhmacherhandwerk nachging. Richtig: Görlitz ist die Heimat des großen Theosophen, dessen mystisch-visionäre Schriften wie die "Aurora" bis in die Romantik Nachhall fanden. Wildromantisch mutet der halb verfallene barocke Friedhof mit Böhmes Grabmal hinter der Nikolaikirche an.

Auf dem Weg nach Breslau (Wroclaw) erschließt sich Niederschlesien mit seinem landschaftlichen und kulturellen Reichtum. Zwar assoziiert man mit Schlesien zunächst eher Armut - Gerhard Hauptmanns "Weber" hallen in ihrer Anklage bis heute nach. Doch es ist das Erbe von Adel (Schlösser), Junkern (Landgüter) und reichem Bürgertum (Städte), das Interesse bei kontemporären Reisenden weckt. Und wem sind nicht aus der Kindheit dunkel das Riesengebirge mit seinen mythischen Gestalten - Rübezahl -, das Eulengebirge, die Schneekoppe (nicht die aus der Werbung), ein Begriff?

Trotz der Vertreibung der Bevölkerung nach dem Krieg sind die Städte vom Erscheinungsbild her immer noch deutsch geprägt. Beispiele dafür sind Liegnitz (Legnica), Hirschberg (Jelenia Gora), Waldenburg (Walbrzych), aber auch Breslau selbst. Im Krieg schwer zerstört, wurde sie danach teils originalgetreu rekonstruiert, namentlich das Zentrum vermittelt wieder ein fast authentisches Bild. Das gotische Rathaus, eine der wichtigsten spätmittelalterlichen Bauten Deutschlands, ist bis heute Wahrzeichen der Stadt. Der beste Blick über Breslau ist der vom Nordturm der gotischen Kathedrale, er reicht bis hinaus zur Jahrhunderthalle, dem bedeutenden, vor dem 1. Weltkrieg errichteten Stahlbeton-Kuppelbau. Und man sieht, viel näher, die Universität, die frühere Jesuitenschule - deren Aula Leopoldina gilt als Prunkstück barocker Innenausstattung.

Wer Waldenburg besucht, sollte Fürstenstein (Ksiaz) nicht verpassen. Eine riesige, im Norden der Stadt gelegene Schloßanlage, die aufgrund fehlender Ausschilderung nicht einfach zu finden ist. Die Anlage steht zum Verkauf an, der Staat kann den teuren Erhalt kaum mehr garantieren; allerdings sind strenge Auflagen an den Erwerb geknüpft. Bedeutende bauliche Erweiterungen wurden im frühen 18. Jhdt. während Österreichs Herrschaft über Schlesien getätigt, als letztes Kapitel vermerkt die Chronik den geplanten Umbau als Quartier für Hitler. Nicht weit davon entfernt, bei Schweidnitz, liegt Schloß Kratzkau (Kraskow). 1992 hat ein österreichischer Investor die Ruine erworben und mit großem Einsatz wiederaufgebaut - und nutzt die (vermutlich nach Plänen von Fischer von Erlach errichtete) Anlage, die bis zur Vertreibung den Salisch gehörte, als Hotel. (Der Standard, Printausgabe)