Lyon - Der Verbund-Konzern wird wegen der schleppenden Genehmigungsverfahren in Österreich und den im Inland zu niedrigen Großhandelspreisen für Strom neue Kraftwerks-Investitionen vermehrt im Ausland tätigen. Außer dem Gaskraftwerk Mellach in der Steiermark mit 800 MW Leistung für 400 Mio. Euro erwägt der Verbund nun auch die Errichtung einer ebensolchen Anlage in Slowenien, die ebenfalls Strom nach Österreich liefern könnte, wie Generaldirektor Hans Haider am Rande der Eurelectric-Jahrestagung in Lyon zu österreichischen Journalisten sagte.

Raschere Genehmigung in Slowenien

"Wahrscheinlich gibt es in Slowenien rascher eine Genehmigung für uns als in Österreich", meinte Haider. In dem südlichen Nachbarland, das derzeit jährlich netto 2,5 TWh Strom importieren muss, hält der Verbund bereits bei 16 bis 17 Prozent Marktanteil. Neben Slowenien werde der Verbund eventuell auch in anderen Ländern in Kraftwerksbauten investieren.

Maßgeblich in den Bau neuer Stromerzeugungsanlagen investiert der Verbund bereits in Italien. Die Energia Spa, bei der die Österreicher ihren Anteil erst kürzlich für 150 Mio. Euro auf 37,5 Prozent aufgestockt haben, hat zur Zeit drei große Kraftwerksprojekte in Bau bzw. Planung. Bis 2007 soll Energia über 23 TWh Eigenproduktion verfügen, was etwa drei Viertel der jetzigen Erzeugung des Verbund in Österreich und rund der Hälfte der Stromimporte Italiens im Vorjahr entspricht. Das Problem seines großen Stromhungers wird Italien, dessen Verbrauch (von 320 TWh 2003) jährlich um 10 TWh oder das Äquivalent von zwei großen Kraftwerken steigt, in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht lösen können, vermutet Haider.

Mellach muss Gewinn bringen

Das Kraftwerk Mellach in der Steiermark südlich von Graz wird der Verbund "nur bauen, wenn wir Geld damit verdienen", bekräftigte Haider. Abhängig sei das Vorhaben - neben den nötigen Genehmigungen - von der abschätzbaren Entwicklung des Strom- und des Gaspreises bis zum Jahr 2010, aber auch von den Kosten der CO2-Zertifikate bzw. des Emissionshandels für den Verbund. Dies werde parallel zu den Bauanträgen in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren geprüft.

Mellach und die ebenso teure Anlage in Slowenien seien "kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch", sagte Haider: "Wir prüfen beides gleichzeitig und machen das als Erstes, was sich am schnellsten ausgeht und rechnet." Die Leitungen für einen Stromtransport von Slowenien in den Süden Österreichs, der derzeit durch den fehlenden 380-kv-Ring-Schluss ohnedies akut an Strommangel leide, seien ausreichend. Den Antrag für das Mellach-Genehmigungsverfahren werde der Verbund Ende 2004 stellen.

Investitionsstopp angedroht

"Wenn wir in Österreich nichts verdienen, werden wir hier nichts investieren. Nichts ist mobiler als das Geld", stellt Verbund-Generaldirektor Hans Haider die Rute ins Fenster und verweist vor allem auf die hier zu Lande mit derzeit 35 Euro je TWh niedrigsten Strom-Großhandelspreise in ganz Europa, während sich ein neues Gaskraftwerk - ohnedies die billigste Anlage - erst ab 40 Euro/TWh rechne.

Wegen des niedrigen Preisniveaus würden auch keine ausländischen EVU nach Österreich hereindrängen, "und darum gehen wir eben ins Ausland", sagte Haider in Lyon am Rande der Jahrestagung der europäischen E-Wirtschaft (Eurelectric), deren Präsident der Verbund-Chef derzeit ist. "Auch keiner der großen Player wie E.ON, RWE, Endesa oder Vattenfall würde investieren, wenn er dabei Geld verliert."

Preisentwicklung bei Erdgas entscheidend

Mittelfristig würden die Großhandelspreise sicher weiter steigen, nimmt Haider an, sich aber dann rund um die Vollkosten für ein neues Gaskraftwerk einpendeln, "denn sonst baut niemand mehr eine neue Anlage". Für die Rentabilität neuer Gasblöcke sei zudem die Preisentwicklung beim Primärrohstoff Erdgas entscheidend, der immerhin 80 Prozent der Kosten ausmache. Der Gaspreis orientiert sich mit zeitlicher Verzögerung am Ölpreis - und den sieht der Verbund-Chef mittelfristig weiter steigen, wenn er jetzt auch wieder deutlich unter die 40 Dollar sinkt.

Insgesamt hat der Verbund derzeit Projekte mit einem Investitionsvolumen von 900 bis 950 Mio. Euro in Planung bzw. Abwicklung. Neben den 400 Mio. Euro für Mellach und den 150 Mio. Euro für die Aufstockung bei Energia in Italien sind dies weitere 350 bis 400 Mio. Euro für den Ringschluss des 380-kV-Hochspannungsnetzes in Österreich (Steiermark/Burgenland sowie Salzburg/Oberösterreich). Der Verbund könne leicht jedes Jahr 150 bis 250 Mio. Euro investieren, ohne seine Profitabilität zu gefährden, verwies Haider etwa auf das im Vorjahr erzielte operative Ergebnis von rund 320 Mio. Euro und einen ebenso hohen Cash-Flow.

380-kV-Leitung im Süden

Für die 380-kV-Leitung im Süden Österreichs, die vom Verbund bereits seit zwei Jahrzehnten geplant ist, liege es nun an den Landesregierungen in Eisenstadt und Graz, eine Genehmigung zu erteilen. Dann könne man mit den Grundablösen für Servitute mit Überleitungsrechten und dann mit dem Bau selbst beginnen. Für die noch fehlende 380-kV-Verbindung von Salzburg nach Oberösterreich werde der Verbund im Herbst die Umweltverträglichkeitserklärung einreichen.

Die nächste Eurelectric-Jahrestagung wird im Juni 2005 in Wien stattfinden. (APA)