Jerusalem - Der mit Korruptionsvorwürfen konfrontierte israelische Ministerpräsident Ariel Sharon muss sich nicht wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Generalstaatsanwalt Menachem Mazuz sagte am Dienstag, aus Mangel an Beweisen werde keine Anklage gegen Sharon erhoben. Mazuz beendete damit monatelange Spekulationen über die politische Zukunft des Regierungschefs. Die Oppositionspartei Yahad kündigte an, die Entscheidung des Generalstaatsanwalts anzufechten. Eine Anklage hätte sehr wahrscheinlich das Aus für Sharon im Amt bedeutet.

Nicht genügend Beweise

Dem Regierungschef war vorgeworfen worden, unter Vermittlung seines Sohnes Schmiergelder des angeklagten Geschäftsmannes David Appel angenommen zu haben. "Das vorliegende Material reicht nicht aus für eine Anklage", begründete Generalstaatsanwalt Mazuz seine Entscheidung. Nach genauester Prüfung gebe es "nicht den geringsten Beweis" für Korruption in der Angelegenheit. Auch Sharons in die Affäre verwickelter Sohn Gilad soll nicht angeklagt werden.

"Vielen Dank"

Nach Informationen des privaten Fernsehsenders Kanal 10 informierte Mazuz Sharon persönlich am Telefon über das Ermittlungsergebnis. "Vielen Dank" habe Sharons Antwort gelautet. Mazuz' Vorgängerin Edna Arbel hatte eine Anklage gegen Sharon gefordert. Sharon hatte stets seine Unschuld beteuert.

Bei der Bestechungsaffäre geht es unter anderem um den Vorwurf, Sharon habe sich Ende der 90er Jahre als Außenminister bei der griechischen Regierung für ein Tourismusprojekt des im Jänner wegen Korruption angeklagten Geschäftmanns Appel eingesetzt.

Der israelische Bauunternehmer und Großspender für Sharons Likud-Partei hatte Sharons Sohn als Berater eingestellt, obwohl der über keinerlei einschlägige Erfahrung verfügte. Aus dem Ferienzentrum mit einem Spielkasino auf einer griechischen Insel wurde zwar nichts, Gilad Sharon soll aber für seine "Beratertätigkeit" von Appel reichlich entlohnt worden sein.

Koalition mit Arbeiterpartei möglich

Mit Mazuz' Entscheidung dürfte für Sharon der Weg frei sein für Gespräche mit der oppositionellen Arbeiterpartei. Diese hat erklärt, sie werde einen Beitritt zur Regierungskoalition nur dann erwägen, wenn der Ministerpräsident von allen Korruptionsvorwürfen freigesprochen werde. Sharon braucht die Arbeitspartei, um wieder eine Mehrheit im Parlament zu bekommen, die er wegen des Widerstands einiger Hardliner gegen den von ihm geplanten Rückzug aus dem Gazastreifen verloren hatte.

Ermittlungen in zwei Fällen laufen weiter

Linksgerichtete Oppositionspolitiker haben angekündigt, eine Klage-Ablehnung von Mazuz vor dem Obersten Gericht des Landes anfechten zu wollen. In den Ermittlungen von zwei anderen Korruptionsfällen droht Sharon weiterhin eine Anklage. Auch in diesen Fällen hat er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Der Yahad-Abgeordnete Ran Cohen sagte im israelischen Rundfunk, Mazuz' Entscheidung dürfe nicht das letzte Wort sein. Der Fall müsse auf der höchsten gerichtlichen Ebene untersucht werden. Nur ein Urteil des Obersten Gerichtshofs könne "dieser Angelegenheit ein Ende setzen".

Wahlkampfspenden

Ein weiterer mutmaßlicher Korruptionsskandal hatte Anfang 2001 bereits Sharons Wahlkampf überschattet. Dabei geht es um einen Kredit in Höhe von 1,5 Millionen Dollar (heute 1,25 Millionen Euro) des südafrikanischen Geschäftsmanns Cyril Kern. Mit dem umstrittenen Kredit sollten illegale Wahlkampfspenden für Sharons Likud-Partei aus dem Jahr 1999 zurückgezahlt werden. Über seinen Sohn Omri soll Sharon 1,5 Millionen Dollar erhalten haben. Auch Gilad Sharon wurde mehrfach in der Angelegenheit vernommen, verweigerte aber die Aussage.

Eine Anklageerhebung hätte Sharon sehr wahrscheinlich zum Rücktritt gezwungen und damit auch seinen Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen gefährdet. Der Plan sieht vor, in vier Stufen alle 7500 jüdischen Siedler und die Soldaten aus dem Palästinensergebiet abzuziehen. Gleichzeitig sollen die Siedlungen im Westjordanland gestärkt werden. Der Plan wird von den rechtsgerichteten Koalitionspartnern Sharons abgelehnt. In Folge des Streits hat die Regierung ihre parlamentarische Mehrheit verloren.

Trotz möglicher Widerstände der USA erwägt Israel Sicherheitskreisen zufolge die Umsiedlung der Israelis aus dem Gaza-Streifen in das Westjordanland. Die Zeitung "Maariv" berichtete, Verteidigungsminister Shaul Mofaz lasse Pläne zum Bau hunderter neuer Wohnungen im zwölf Kilometer südlich von Jerusalem gelegenen Gush Etsion für die Siedler erarbeiten. In Sicherheitskreisen hieß es, der Vorschlag werde geprüft.

Der von den USA unterstützte internationale Friedensplan, die so genannte "Road Map", sieht keinen Ausbau der Siedlungen im Westjordanland und die Gründung eines Palästinenserstaates bis Ende 2005 vor. Allerdings hatte Präsident George W. Bush im April Israel zum ersten Mal zugesichert, einige Gebiete des Westjordanlandes behalten zu können. (APA/Reuters/AP)