Zaghaft gingen die Schüler und Schülerinnen des Linzer Petrinums am Montagmorgen durch den weiß gefliesten Gang im Linzer AKH: Fünfzehn Jugendliche auf dem Weg in die Pathologie. Auf dem Lehrplan stand nach einer intensiven Vorbereitung ein Anatomieunterricht, wie er unmittelbarer wohl nicht sein könnte.

Je näher die in grüne Schutzkittel gesteckten Schüler den Obduktionsräumen kamen, umso deutlicher ließ auch der süßliche Geruch auf ein gewöhnungsbedürftiges Ereignis schließen. Zeit zum Nachdenken blieb nicht, denn plötzlich öffnete sich eine automatische Schiebetür und gab schonungslos Einblick in die Welt der Pathologen.

Ungewöhnliche Exkursion

Nur vorsichtig versammelten sich die Mädchen und Burschen rund um Seziertisch, auf dem der Leichnam einer Frau lag. Manche hielten einander an den Händen, einige umklammerten ein Menthol-Taschentuch, um der Geruchsbelastung entgegenwirken zu können.

Nach einer kurzen geschichtlichen Einführung setzte Gerhard Syre, der Leiter der Pathologie, den ersten Schnitt - für den Mediziner Routine, für fünf Schüler Grund genug, fluchtartig den Raum zu verlassen. Auch für den 16-jährigen Robert war die Exkursion rascher vorbei als geplant: Während der Untersuchung der Organe im offenem Brustkorb "siegte" die Ohnmacht und brachte den Schüler zu Umkippen.

Dennoch: Schon nach kurzer Zeit war am Interesse der Schüler der Sinn dieser ungewöhnlichen Exkursion bemerkbar: "Ziel ist nicht ein Horror-Erlebnis, sondern ein Auseinandersetzen mit dem Tod und die Möglichkeit zu einem Anatomieunterricht, der anders nie möglich wäre", so Biologielehrer Stefan Hametner. Robert wartete auf seine Klassenkollegen dennoch lieber vor dem Seziersaal. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD; Printausgabe, 16.6.2004)