Kiffen bleibt strafbar in der Schweiz. Mit knapper Mehrheit wies der Nationalrat, die erste Kammer des Parlaments, einen Vorschlag zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes zurück. Damit ist die Absicht, der de facto relativ liberalen Schweizer Drogenpolitik einen rechtlichen Rahmen zu geben, gescheitert.

Obwohl die Tatsache, dass die Schweizer auf den Straßen, in Zügen und an anderen öffentlichen Plätzen freizügig kiffen, einen anderen Eindruck erwecken würde, ist Cannabis in der Schweiz rechtlich illegal. Die Regierung (Bundesrat) wollte daher den Konsum von Cannabisprodukten entkriminalisieren und die Justiz von Bagatellfällen entlasten. Gleichzeitig sollte die Prävention verstärkt werden. Die negative Entscheidung war erwartet worden, nachdem sich jüngst die Stimmung in der Schweizer Drogendebatte gedreht hatte. Warnungen vor den gesundheitlichen und sozialen Folgen des Kiffens, vor allem für Schüler, beeindruckten bürgerliche Politiker, die die Liberalisierung ursprünglich unterstützt hatten.

Revision sah vor auch Anbau zum Eigenkonsum straffrei zu stellen

Die Revision sah vor, nicht nur den Konsum von Cannabis, sondern auch den Anbau zum Eigenkonsum straffrei zu stellen. Gewerbsmäßiger Anbau und Verkauf sollten zwar strafbar bleiben, unter gewissen Bedingungen aber toleriert werden. Gleiches sollte für den Konsum illegaler harter Drogen gelten. Das staatliche Drogenkonzept mit den vier Säulen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression wäre rechtlich verankert worden. Es gilt international als vorbildlich, weil es unter anderem die kontrollierte Heroinabgabe vorsieht, und hat der Schweiz den Ruf eingetragen, eine progressive Drogenpolitik zu betreiben.

In der Öffentlichkeit wurde die Entscheidung des Parlaments weit gehend als Flucht vor den Problemen interpretiert. Die Rechtsunsicherheit werde sich verschärfen, schrieb die Neue Zürcher Zeitung.

Je nach politischer Ausrichtung gehen die Kantone unterschiedlich mit dem Drogenproblem um. Das Spektrum reicht von weit gehender Toleranz über gelegentliche Abschreckungsaktionen bis zu regelmäßigen Razzien gegen Hanfanbauer und -händler, wie etwa im Tessin. (Thomas Kirchner aus Zürich/DER STANDARD; Printausgabe, 16.6.2004)