Am unverblümtesten hat es der spanische Verteidigungsminister José Bono formuliert: Die irakische Souveränität sei ein "Märchen", an das ohnehin niemand glaube. Die irakische Interimsregierung, die nach dem 30. Juni die Verwaltung des Irak übernehmen wird, glaubt natürlich auch nicht wirklich daran. Premier Iyad Allawi fühlt sich jedoch zumindest fürs heimische Publikum verpflichtet, so zu tun als ob. Dass die USA zur kommenden Interimsregierung so viel Vertrauen haben würden, ihr bei der katastrophalen Sicherheitslage Saddam Hussein tatsächlich zu übergeben - wie Allawi dies zu Wochenbeginn behauptete -, war jedoch nun wirklich nicht zu erwarten, souverän hin, souverän her. Wer auf den abgesetzten Diktator aufpassen darf, ist nicht der einzige Punkt, über den die USA mit den Irakern streiten und der direkt die irakische Souveränität betrifft. So liegt dem ersten Präsidenten nach Saddam, Ghazi al-Yawir, aus symbolischen Gründen etwa sehr am Herzen, dass die USA ihre Superbotschaft, die größte auf der Welt, nicht im "Republikanischen Palast", den sie gleich nach dem Fall Bagdads bezogen haben, einrichten. Es gibt aber bisher keinerlei Anzeichen, dass die USA den Wunsch des "souveränen Irak" respektieren. Ebenso wenig wollen die USA nicht - und deshalb wird es nicht geschehen -, dass zivile US-Bürger, die im Irak tätig sind, dem irakischen Recht unterstehen. Von US-Militär ist ohnehin nicht die Rede. Fürwahr eine eigenartige Souveränität, die irakische. Und Saddam Hussein bleibt also in US-Haft. Die Begründung, warum der Kriegsgefangene - dieser Status wurde ihm von den USA verliehen - nicht freigelassen wird, obwohl bis zum "Ende der Besatzung" Ende Juni keine Anklageschrift gegen ihn vorliegen wird, lässt aufhorchen: Das sei erst nach "cessation of hostilities", der Einstellung der Kampfhandlungen, nötig. Mit einem Wort, der Krieg ist noch nicht aus (die Besatzung schon?). Wenn das ernst gemeint ist, dann hat das wiederum interessante rechtliche Folgen für den Status derjenigen, die die US-Armee im Irak militärisch bekämpfen. Wo Saddam Hussein sich aufhält, ist unbekannt, angesichts der Situation im Irak zweifeln Beobachter, dass er sich noch im Land befindet, manche tippen auf das US- Hauptquartier in Katar, manche gar auf die USA. An der Prozessvorbereitung arbeiten im Irak eine Gruppe von US- Juristen gemeinsam mit Irakern. Und leider ist da wieder einmal eine der eigenartigen Dummheiten der USA im Irak passiert: Sie stimmten zu, dass ein Neffe des im Irak verhassten - und jetzt ja auch von den USA fallen gelassenen - Ahmed Chalabi Kanzler des Sondergerichtshofs wird, und dieser Neffe hat auch noch sein Bagdader Büro gemeinsam mit einem rechtsgerichteten israelischen Anwalt aufgebaut. Auch wenn dieser Chalabi- Neffe noch so integer und unabhängig und fähig sein sollte, was ja durchaus möglich ist: In der arabischen und islamischen Welt wird die paranoide Saga lauten, Israel und die Juden würden über Saddam zu Gericht sitzen. Beim Sondergerichtshof selbst, vor dem Saddam stehen soll, ist auch nicht alles ganz koscher: In Artikel 18 der Interimsverfassung sind - aus schmerzlichen historischen Gründen - alle Sondergerichtshöfe verboten. In Artikel 48 wird der Sondergerichtshof bestätigt, den der US-ernannte Regierungsrat auf Anweisung der US-Zivilverwaltung geschaffen hat. Dieser Sondergerichtshof müsste in jeder überarbeiteten Verfassung, die den Namen verdient, fallen. Dann bleibt noch die große Frage, wann der Prozess gegen Saddam stattfinden soll. Für Bushs Wahlkampf wäre es günstig, wenn der Beginn noch in den Herbst fallen würde: Außer Saddam Husseins Verbrechen - viele davon verübt, als er noch strategischer Partner der Amerikaner war - ist ja keine Rechtfertigung für die Irak-Invasion geblieben. Aber Juristen fürchten, dass der Prozess ein Debakel werden könnte, wenn er schlecht vorbereitet ist und solange die irakische Glaubwürdigkeit nicht wiederhergestellt ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2004)