Wien - "Sie war die Liebe seines Lebens", klagt die Verteidigerin. Mit so viel Pathos in der Stimme trug man früher schwere Lyrik vor. Die Anwältin selbst spricht von einer "Beziehung, die wie ein Stoff aus Romanen" ist.Wie ernüchternd klingt da die wahre Begebenheit: Barbara E., Medizinstudentin, 22 Jahre alt, an der Uferböschung bewusstlos gewürgt, in die Donau getaucht, ertrunken. "Schade, dass wir kein Bild von ihr haben", sagt die Staatsanwältin. Stimmt nicht. Alle haben ein Bild von ihr. Man muss es nicht auch noch als Foto herumreichen. Traumfrau Sie war die Liebe seines Lebens. Er bestätigt das. Er sagt: "Sie war meine Traumfrau. Die perfekte Frau. Ich konnte ihr nur Liebe und Verständnis geben." - Aber er ist des Mordes angeklagt: Alfonso B., 39 Jahre alt, elegante Kleidung, farbige Haut, schön polierter kahler Kopf, dezentes Auftreten, angenehme Aussprache, höfliche Umgangsformen. "Wenn du dich auch abwendest, dein ewiger Mann folgt dir", ließ er sie in einem der letzten Briefe vor der Tat wissen. Der ewige Mann folgte ihr bis in die Donau und ertränkte sie. Die Liebe seines Lebens hatte vergeblich versucht, ihn aus ihrem Leben zu entlassen. Totschlag Der Mordprozess findet zum zweiten Mal statt. Im Juli 2003 wurde Alfonso B. wegen Totschlags (Mord im Affekt, also in einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung") zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Höchstgericht hob das Urteil mit der Begründung auf, die Totschlagvariante sei im Fragenkatalog gar nicht enthalten gewesen. Nun beschäftigt sich ein neues Geschworenengericht mit dem tödlichen Ende einer gescheiterten Beziehung. Sie wollte entrinnen "Ich weiß nicht, was ein geplanter Mord sein soll, wenn nicht das hier", sagt die Klägerin. Ihre Sicht der Dinge: Barbara, damals 19, glaubte, sich in einen afrikanischen Studenten verliebt zu haben, dessen Onkel reicher Diplomat in Wien sei. Erst nach zwei Jahren kam sie dahinter, dass Alfonso 17 Jahre älter, zum zweiten Mal verheiratet, Vater von vier Kindern und Gelegenheitskellner war. Zweimal wurde sie von ihm schwanger, beide Male ließ sie abtreiben - ohne Wissen ihrer Eltern und gegen den Widerstand des Mannes. Beim zweiten Mal soll Alfonso in den Klinikraum gestürmt sein, um die Abtreibung zu verhindern. Im Oktober 2002 war die Studentin entschlossen, sich von ihrem gewalttätigen und krankhaft eifersüchtigen Partner zu trennen. Die Freundschaft zu einem Studienkollegen war intim geworden. Vermutlich war das das Thema des letzten Spaziergangs mit Alfonso am Kaisermühlendamm. Barbara muss von ihrem Begleiter "sehr lange und heftig gewürgt" worden sein, meint der Gerichtsmediziner. Der Kehlkopf wies eine Bruchstelle auf. Danach hat er die Bewusstlose ausgezogen und in die Donau gezerrt. "Todesursache war ein schneller Ertrinkungsvorgang", sagt der Experte. "Romanvorlage" "Ja, sie wollte entrinnen, aber nicht ihm, sondern ihrer Umgebung", entgegnet die Verteidigerin. Ihre "Romanvorlage" erzählt die Geschichte eines heimatlosen, ausgestoßenen Angolaners, der im Krieg der Kulturen in Wien endlich die Frau fürs Leben gefunden hat, "die ihm seine afrikanische Kost kocht". Gemeinsam habe man die Flucht geplant. Am Abend davor sei ein blöder Streit über die Abtreibungen ausgebrochen. "Sie hat mich erniedrigt und beschimpft", sagt der Angeklagte. Da habe er sie am Hals gepackt. "Wir sind zu Boden gefallen, dann war sie tot." Im Schock habe er sie entkleidet und ins Wasser geworfen. "Ich habe für sie noch gebetet. Dann bin ich zerbrochen." Danach wollte er das Auto ihres neuen Freundes mit Benzin übergießen. Der Prozess geht heute weiter. (Daniel Glattauer/DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2004)