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"Gleiche Leistung zu höheren Löhnen, das wird sich nicht ausgehen."

Foto: Reuters/BADER
Standard : Wie definieren Sie Ihre neue Funktion und Aufgabe?

Sorger: Ein Ehrenamt habe ich mit dieser Funktion nicht angenommen. Entweder ich mache etwas und stehe für etwas, oder ich lasse es. Ich bin kein Ämterkumulierer.

Standard: Für was stehen Sie?

Sorger: Für das Haus der Industriellenvereinigung. Es gibt eine neue Studie, die die Bedeutung der Industrie darlegt: Aus ihr geht hervor, dass direkt und indirekt zwei Millionen Beschäftigte und 41 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mit der Industrie verbunden sind. Diesem Beitrag entspricht auch die Erwartungshaltung unserer Mitglieder.

Standard: Was sind die dringlichsten Projekte des neuen IV-Chefs?

Sorger: Es gibt viele Dinge, die noch nicht fertig gestellt sind: im Umweltbereich die Emissionengeschichte, Kioto, die Wegekostenrichtlinie, die Infrastrukturproblematik, die Bündelung der Forschungsstätten - alles Bereiche, in die sich die Industriellenvereinigung zusammen mit der Wirtschaftskammer sehr eingebracht hat und die für uns lebensnotwendig sind. Diese Projekte laufen. Und dann gibt es natürlich Schwerpunkte, die sich jeder vornimmt, innerhalb einer Periode noch zu verstärken. Mich hat immer der Wandel von der jetzigen Industrie zur Zukunftsindustrie interessiert.

Was haben wir jetzt: Eine hervorragend aufgestellte Old Economy, die in Nischen ausgezeichnet unterwegs ist. Im Bereich der New Economy haben wir Nanotechnologie, Biotechnologie, wo wir sehr viel zu lernen und zu forschen haben. Wir müssen zu Innovationen kommen und diese Innovationen auch gut vermarkten. Und um das zu erreichen, sind Rahmenbedingungen zu erarbeiten, wie etwa leichtere Verfügbarkeit von Risikokapital, zur Hilfe bei der Eigenmittelausstattung, die in Österreich ja nicht so groß ist.

Am Ende der Wertschöpfungskette müssen sich Unternehmer herauskristallisieren, die entsprechende Erträge erwirtschaften und die Arbeitsplätze schaffen. Dann ist die Wertschöpfungskette erst beendet und nicht mit der Forschung allein.

Standard: Wie könnte man das verbessern?

Sorger: Wir haben ein ausgezeichnetes Universitätssystem, und die Österreicher waren immer gut in der Forschung. Nur die kommerzielle Umsetzung klappt komischerweise weniger gut. Die Frage des Eigenkapitals ist nicht positiv besetzt. Es ist der Motor für das letzte Glied der Wertschöpfung, wichtig für Ertrag und Beschäftigung. Ich habe da ein Modell, einen Vorschlag: Ich würde mir wahnsinnig wünschen, dass man einen Teil der Privatisierungserlöse - nachdem die Schulden größtenteils getilgt sind, dazu verwendet, Risikokapital kontrolliert zu gründenden Unternehmen etwa aus dem Universitätsbereich zur Verfügung zu stellen. Man nimmt 500 Millionen Euro aus den Privatisierungserlösen und sagt, das ist für Projekte, die in Österreich entstehen und vermarktet werden sollen. Gleichzeitig kann die ÖIAG den jungen Unternehmen ihr Know-how zur Verfügung stellen. Nach fünf Jahren muss die ÖIAG durch andere Partner oder die Börse ersetzt werden. Das könnte ein Erfolgsmodell werden.

Standard: In Deutschland wird wieder über die 42-Stunden-Woche diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

Sorger: Ich halte nichts von Lohndumping. Der Wettbewerb mit unseren Nachbarn, den neuen EU-Mitgliedern, ist knallhart, mit Asien wird er noch viel härter. Darauf haben wir uns vorzubereiten. Uns es ist die Aufgabe der Industriellenvereinigung, hier als Think-Tank einige Schritte vorauszudenken.

Dem unmittelbaren Wettbewerb können wir uns auf zweierlei Arten stellen: Entweder wir haben Produkte, die so hohe Margen tragen, dass uns die Arbeitskosten egal sind. Diese Produkte haben wir leider nicht. Oder ich befinde mich eben im Wettbewerb und kann mit den Lohnkosten nicht konkurrieren, ich muss also mehr machen. Mehr Leistung muss heißen, dass ich zu nicht fixierten Zeiten auch durchaus mehr arbeite. Um mir den Lohn, den ich benötige, um das ganze Sozialsystem zu finanzieren, die Universitäten. Gleiche Leistung zu höheren Löhnen, das wird sich nicht ausgehen.

Standard: Also eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten?

Sorger: Nein, da bin ich auf Seite der Gewerkschaften, die sagen, die bereits erlaubte Flexibilität wird ja gar nicht ausgenützt. Man muss das breiter fassen: Kann ich mich etwa mit den ganzen Feiertagen, die ich habe, da messen mit durchaus auch anspruchsvollen religiösen Ländern, die deutlich weniger Feiertage haben - und mehr Arbeitsstunden haben. Für uns ist nur wichtig, wie viele Arbeitsstunden habe ich im Jahr?

Standard: Entsprechende Vorstöße Ihrer Vorgänger sind gescheitert. Unternehmen Sie einen neuen Anlauf?

Sorger: Es gibt keine Themen, denen wir uns nicht zu stellen haben, wenn wir Erfolg haben wollen. Ich bin da sehr offen. Wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen, unsere Pensionen bekommen und unser Gesundheitssystem erhalten, müssen wir dafür etwas liefern, etwas leisten. Und wenn wir bedrängt werden, müssen wir mehr leisten.

Standard: Würden Sie dem Finanzminister eine Homepage finanzieren?

Sorger : Das ist doch nicht mehr relevant. Wir haben alle aus diesen Vorgängen gelernt. Und neue Projekte dieser Art wird sich die Industriellenvereinigung sehr genau ansehen. (Der Standard, Printausgabe, 18.06.2004)