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Foto: APA/EPA/Filippo Monteforte
Graz - Europa liegt im Fußball-Fieber. Und dabei zeigt sich: Der Kampf ums runde Leder ist mehr als ein Spiel. Für viele Sportbegeisterte wird der Besuch des Stadions eine Pilgerfahrt, der Kult rund um diesen Sport nimmt Elemente einer Ersatzreligion an: David Beckham wird als Freistoß-Gott verehrt, Diego Maradonna als Legende. Am Institut für Ethik und Gesellschaftslehre der Universität Graz wollte man Genaueres wissen. Resultat: Ein Sammelband über die ethischen Aspekte eines Massenphänomens.

Der Grazer Theologe und Sozialethiker Leopold Neuhold - selbst begeisterter GAK-Fan - hat den Band herausgegeben. Die WM 2002 war für ihn der Anlass, sich mit dem Massenphänomen aus der Sicht der Theologie und Ethik zu befassen. Er hat 26 weitere Autoren und Interviewpartner eingeladen, sich mit verschiedensten Aspekten und Perspektiven des Spiels auseinander zu setzen - ohne den Fußballanhängern den Spaß an der "wichtigsten Nebensache der Welt" zu verderben. Neben Theologen und kirchlichen Würdenträgern kommen auch Soziologen, Juristen, Schriftsteller, aber auch Trainer, Funktionäre und die Spieler selbst zu Wort.

Mobilisierte Massen

Der Sport mobilisiert die Massen laut Neuhold im positiven wie im negativen Sinn: "Der Fußball als Spiel, Sport und gesellschaftliches Phänomen baut auf ein Gerüst aus sozialen Werten und Idealen, wie Teamgeist, Fairplay und Toleranz", so der Ethiker. Die Spieler müssten eine Gemeinschaft bilden, andere respektieren und Niederlagen akzeptieren. "Das Ideal der Ethik auf den Fußball übertragen bedeutet, dass nicht nur die sportlichen, sondern auch die sozialen Regeln beherrscht werden müssen", so der Theologe, der überzeugt ist, dass Spieler mit einem Fundament an gemeinschaftlichen Werten ihre Sache besser machen als jene, die nur am Ball stark sind.

Die positive Funktion des Fußballsports sei auch, dass er Menschen aller Altersstufen und sozialer Schichten, ja sogar Völker in ihrer Begeisterung verbinde, so Neuhold. Weiters erlaubt er den Einzelnen, Emotionen auszudrücken, kurz: "Dampf abzulassen". Darin lauere aber andererseits die Gefahr gewalttätiger Ausschreitungen. Fanatismus und ideologische Überhöhung lassen die gegnerische Mannschaft und deren Fans zum Feindbild werden. "Zu den negativen Aspekten zählt auch die ungehemmte Ökonomisierung des Fußball-Sports, die den spielerischen Charakter zunehmend in den Hintergrund drängt", bedauert Neuhold den Umstand, dass das Geld derzeit allzu bestimmend sei. Weiters sieht der Ethiker den Personenkult um Fußball-Idole sehr kritisch und würde sich eine realistischere Beurteilung der Stars durch die Öffentlichkeit wünschen. (APA)