Bild nicht mehr verfügbar.

Chris Patten: Vor Wochen noch Auslaufmodell in Brüssel, nun plötzlich offizieller Kandidat für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten.

Foto: APA/AP Photo/Dario Lopez-Mills
London - Der Mann passt in keine Schablone. Brite, aber pro-europäisch, Konservativer, aber liberal; Engländer, aber katholisch; vor Wochen noch als Auslaufmodell in Brüssel gehandelt - dann plötzlich Kandidat für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten - nach am 19. Juni wieder ein Rückzug: Chris Pattens politische Karriere war immer schon voller Überraschungen.

Dabei hat er sich nie vor Kontroversen gescheut. 1992 organisierte er den Überraschungserfolg von John Major und verlängerte damit die Amtszeit der Konservativen noch einmal um fünf Jahre. Berühmt wurde in dem alles andere als zimperlich geführten Wahlkampf das Plakat von "Labour's Double Whammy", mit dem Patten die damals von Neil Kinnock geführte Opposition frontal angriff. Ironischerweise fanden sich beide sieben Jahre später als Vertreter Großbritanniens in der EU-Kommission wieder.

Gouverneur in Hongkong

Die Agonie der letzten konservativen Regierungsjahre in Großbritannien vor dem Wahlsieg Labours 1997 durfte Patten aus der Ferne beobachten. Von 1992 bis 1997 dient er als letzter britischer Gouverneur in Hongkong vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie an China. Sein engagiertes Eintreten für Demokratie und Meinungsfreiheit brachten ihm ebenso den Zorn Pekings wie großes Ansehen zu Hause ein.

Als Medienzar Rupert Murdoch vertragsbrüchig wurde und die China-kritischen Erinnerungen Pattens nicht veröffentlichte, da dies seinen Geschäftsinteressen in der Region widersprach, wurde Patten endgültig zum Darling der liberalen britischen Öffentlichkeit.

Seither ist es zur Routine geworden, dass Patten für jeden bedeutenden Job fast automatisch als Kandidat genannt wird. Nach der Rückkehr aus Hongkong überwachte er zunächst die Reform der nordirischen Polizei, wobei er an seine Erfahrungen als Staatssekretär im Nordirland-Ministerium in den achtziger Jahren anknüpfen konnte. Seine Vorschläge fielen freilich so umfassend aus, dass sie schließlich von allen Seiten abgelehnt wurden.

Britischer EU-Kommissar

Dies tat seinem Image keinen Abbruch, und es war ein geschicktes Manöver, als die Regierung von Tony Blair den Konservativen Patten als EU-Außenkommissar nach Brüssel schickte. Die meisten politischen Gegner hat Patten mittlerweile unter seinen eigenen Parteifreunden, die ihm weder in seiner proßeuropäischen noch seiner liberalen gesellschaftspolitischen Haltung folgen mögen.

In Brüssel wurde Patten in der missglückten Aufgabenteilung, wo mindestens drei Vertreter für auswärtige Angelegenheiten zuständig waren, nicht glücklich. Legendär wurde in Großbritannien ein Interview, in dem er zugab, in langweiligen Sitzungen ausgerechnet zu haben, wie lange sein Leben in Minuten dauern würde, sollte er 76 Jahre alt werden. Aufsehen erregte er in der Heimat aber auch mit seiner scharfen Kritik am Irak-Krieg und dem "Krieg gegen den Terrorismus" der USA.

Kanzler von Oxford

Als es ihm in Brüssel gar zu langweilig zu werden drohte, ließ sich Patten im Vorjahr zum Kanzler von Oxford wählen. Da glänzte der Vater dreier Töchter in freier Rede in Latein und Griechisch. Doch sein Französisch ist lange nicht so gut - und Gerüchten zufolge lehnte Paris ihn deshalb als Kommissionspräsidenten ab. (APA)