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Nun will Bertie sein Meisterstück abliefern und beim EU-Gipfel die Unterschriften aller Staatschefs unter der europäischen Verfassung versammeln.

Foto: APA/EPA/PANTELIS SAITAS
Ein irisches Pub mit Rauchverbot – genauso gut könnte man Fanschals im Fußballstadion verbieten, unkten Kritiker. Totale Fehlannahme. Seit Ende März darf in irischen Pubs nicht mehr geraucht werden, und der erwartete Aufstand der Raucher gegen die irische Regierung unter Bertie Ahern blieb aus.

Der gelungene Zigarettenbann passt zum Image, das sich Ahern in Europa aufgebaut hat: Er kann das Unmögliche möglich machen. Nun will er sein Meisterstück abliefern und beim EU-Gipfel die Unterschriften aller Staatschefs unter der europäischen Verfassung versammeln. Einer Verfassung, die Ahern als EU-Ratspräsident nach den katastrophalen Verhandlungen im Vorjahr reanimiert hat.

Still und leise hat Ahern die Einigung vorangetrieben, statt einer lauten Megafon-Diplomatie eine aufwändige Pendeldiplomatie quer durch Europa betrieben. Mit einem Schlussfurioso: Nach seiner eigenen Buchführung war der 52-Jährige in den vergangenen 38 Tagen in 27 Staaten bei‑ 66 Kollegen und hat Überzeugungsarbeit geleistet. Fürs Wahlkämpfen in Irland blieb da wenig Zeit, wenig Wunder, dass die Europawahlen Aherns konservativer Partei Fianna-Faíl ein ziemliches Debakel und das schlechteste Ergebnis seit 80 Jahren beschert. Nach der Schlappe ist Ahern umso erpichter, seine zu Ende gehende Ratspräsidentschaft mit der Verfassung zu krönen.

Es wäre eine weitere Trophäe in der Sammlung Aherns, den sie "Taoiseach" nennen, gälisch für "Häuptling". In die Häuptlingsposition hat sich Ahern, die verkörperte Kombination aus leutseligem Zechkumpan und entschlossenem Berufspolitiker, geschickt hinaufgearbeitet: Schon als 13-Jähriger klebte er in Arbeitervierteln Dublins Fianna-Faíl-Wahlplakate und brachte es immerhin zum "Chef der Laternenpfähle"; mit 26 saß er im Parlament; mit 35 wurde er Bürgermeister Dublins, mit 38 Finanzminister, mit 45 Premierminister.

Der erdige Ahern, der sich den studierten Finanzwissenschafter teils ungern ansehen lässt, hat Irland einen Strukturfonds-Geldsegen beschert und mit Tony Blair versucht, den Krisenherd Nordirland zu entschärfen. Aus Dankbarkeit dafür verzeihen die Iren ihrem Bertie vieles: die Halbseidenheit seines einstigen Mentors und Expremiers Charles Haughey etwa, der sich als einer der korruptesten Politiker entpuppte; und sogar das Leben in Sünde, getrennt von seiner Frau und Mutter seiner beiden Töchter, dafür in Lebensgemeinschaft mit seiner früheren Sekretärin – im erzkatholischen Irland eigentlich ein Tabubruch.

Aber Häuptlinge können sich eben einiges erlauben. Wenn Ahern die Verfassungshürde bewältigt, wird er selbst sich ein Prosit erlauben. Wie es zu ihm passt, nicht mit Champagner – sondern mit Guinness. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2004)