Erster Tag

Der Mistral weht, "les aixoise" frösteln. Dennoch warm genug, um auf einer sonnigen Terrasse des Cours Mirabeau den Kaffee zu nehmen. Im "les deux garcon" sieht es aus wie im "Sperl". Im anschließenden Mazarin-Viertel stehen die Adelspaläste, hier sind die Straßen schnurgerade und die Plätze wie vor 200 Jahren. Viele Brunnen sind mit Moos überzogen, aus ihnen fließt warmes Thermalwasser. Die alten Römer haben das schon genossen und die Sextius Thermen gebaut, heute ein supermoderner, betonlastiger Wellness-Komplex. Das Gassengewirr der Altstadt innerhalb der dreispurigen Ringstraße ist zwar unübersichtlich, aber alle Wege führen innerhalb von 20 Minuten ans Ziel, unvermeidliche Umwege inkludiert. Auffallend die vielen Friseure, Schuhgeschäfte und exquisiten Läden. Aix ist eine wohlhabende und zugleich sehr junge Stadt. 150.000 Einwohner, davon 40.000 Studenten. Sie prägen massiv die Atmosphäre und die abendliche Szene. Ihr Spielplatz heißt Rue de la Verrerie. Cezanne entgeht man nirgendwo. In den Boden eingelassene Messing-Markierungen führen vom Geburtshaus zum Sterbenhaus, von der römisch-romanischen-gotischen Kathedrale zum Granet Museum. Ein paar kleine Werke des Meisters in einem verstaubten Ambiente. Überquellende Märkte auf jedem Platz. Beim Hotel de Ville Blumen und Bücher. Unter den schützenden Dach der Platanen Obst und Gemüse am kleinen Place Richelme. Und auf dem Place de Precheurs ist überhaupt alles zu finden. Viele provenzalische Lockungen, die wegen verständlicher Transport-Probleme nicht gekauft werden können. Aber wozu gibt es denn Restaurants?

Zweiter Tag

Um Cezanne zu verstehen, muss man aus der Stadt. Sein Atelier ist ein seit 1906 unverändert gebliebenes, bescheidenes Künstler-Refugium. Und wenn gerade keine amerikanischen und japanischen Gruppen herumkichern, ein reines Vergnügen. "Nature morte" ist liebevoll arrangiert. "Ich werde einen Apfel malen, dass Paris sich wundert" soll er gesagt haben. Felsig-weiße 1011 Meter ragt "La Montagne Sainte-Victoire" aus der pinien-bestandenen Ebene. Immer wiederkehrendes Motiv, zu prägend ist seine massive Gestalt. Auch die berühmten Badenden, gemalt nach Tonfigurinen, hat er in der Nähe angesiedelt.

Ganz persönlich

Provence heißt nicht zuletzt ... essen. Zwei getestete Beispiele unter vielen Möglichkeiten für die marktorientierte, wunderbare südfranzösische Küche: "Le Basilic Gourmand", Tradition unter Holzbalken, Artischocken-Carpaccio auf einem intensiven Paradeisjus. "l'Aixquis" Eleganz zwischen Gemälden, das Lamm mit Thymian und Rosmarin zergeht quasi und bleibt unvergessen. (Der Standard, Printausgabe)