Eine quadratische Fläche, uneben, in den Zuschauerraum hinausgebaut, sodass das Publikum darum herum Platz nehmen muss: Diese Wellblechform, von Jens Kilian ersonnen, ist der ideale Boden für einen provokativen Text wie Elementarteilchen.
Er nimmt ihm die Wucht, aber auch viel von seinem selbstsicheren Zynismus. Jede raschere Bewegung im Raum wird gerade durch die hohen Absätze der Frauen unmöglich oder bleibt zur Lächerlichkeit verdammt: Jeder Umarmungsversuch wird zum Balanceakt.
So treibt die Bühne fünf Figuren in die Isolation. Handelt es sich um dargestellte Personen oder um Schauspieler, die einen Romantext rezitieren und ihn dabei mimisch, gestisch ausdeuten? Ist eine Szene verklungen, setzen sich die Schauspieler auf die Seite und schauen zu. Sie zeigen Distanz, aber auch Beteiligung. Und gerade das verleiht diesem von Johan Simons gestalteten Abend eine Selbstverständlichkeit im Erzählen.
Der Roman Elementarteilchen von Michel Houellebecq gilt als provokativ und bösartig. Die Zuschauer sind gewarnt. Gewiss: Wenig davon wird in dieser Theaterfassung von Tom Blokdijk und Koen Tachelet ausgelassen. Sex wird explizit beschrieben, eine Auskratzung, sogar eine ziemlich scheußliche Abtreibungsparty.
Zu Beginn erscheint auch der berüchtigte Houellebecqsche Zynismus; nur handelt es sich hier um den Zynismus einer Elterngeneration, die ihre Kinder im Stich lässt. Man lacht, aber mit der Zeit gewinnt der Abend eine Intimität, die sogar anrührt - dank dem Spiel des außerordentlichen Schauspielerquintetts. Sie verwirklichen, was der Autor schreibt: Man könne versuchen, dem Dasein mit Humor zu begegnen, "aber letztlich bricht einem das Leben doch das Herz".
Ungleich sind die beiden Brüder, die von einer sich sexuell selbst verwirklichenden Mutter (Chris Nietvelt) in die Welt gesetzt und gleich vernachlässigt werden. Der ältere, Bruno (André Jung), Lehrer, von Geilheit angetrieben, findet eine kurze Erfüllung in der Begegnung mit Christiane (Sylvana Krappatsch). Der jüngere, Michel (Robert Hunger-Bühler), ein an Sex desinteressierter Molekularbiologe, dem schließlich der Durchbruch in der Klontechnik gelingt, zeugt mit seiner Jugendliebe Annabelle (Yvon Jansen) beinah ein Kind. Beide Frauen bringen sich um, weil sie an Krebs erkranken.
So werden die beiden Männer in ihre Einsamkeit zurückgestoßen - an der Grenze der nicht verwirklichten Reproduktion, in der Ausweglosigkeit des Alterns. Es ist eine befremdende Utopie Michel Houellebecqs, dass er im Klonen, in der Aufhebung des Todes eine Möglichkeit des Glücks entdeckt; es ist ein Protest gegen die Grausamkeit der Natur, gegen das Unerhörte des Todes. Man spürt, von welchen Gefühlen dieser äußerlich so harsche Text umgetrieben wird. Insofern hat Simons Recht, wenn er das so düstere Stück für eigentlich optimistisch hält.
In Zürich fehlt alle Schwere, jeder Schock. Der Abend erzählt von der Einsamkeit, vom hilflosen Nicht-zueinander-Finden. Das wird nicht "zwingend" (wie man so gern schreibt) dargestellt, schon gar nicht zwanghaft, sondern geradezu unerbittlich locker.