Foto: Süddeutsche Bibliothek
Anfangs wirkt er brav. Mit 21 Jahren Beginn der ersten Erzählungssammlung: Dubliner Alltagsgeschichten, gewöhnliche Ereignisse, Familienkatastrophen. Moralisch nicht für die katholische Kirche geschrieben, aber knapp und klar erzählt. Ein Jahr später, 1904, beginnt er seinen ersten Roman, "Stephen Hero". Auch da bewegt sich Jim Joyce noch auf der sicheren Seite: autobiografischer Stoff, einfache Sprache, ordentliche Dramaturgie.

Bald, so scheint es, wird man von diesem jungen Mann aus guter, etwas heruntergekommener Familie etwas lesen. Doch vier Jahre später ist, was die Veröffentlichung angeht, noch gar nichts geschehen. Joyce, geplagt von fiebrigem Rheumatismus, Magenweh, Augenweh, Zahnschmerzen, ist nach dem Abschied von Irland noch immer ein ärmlicher Lehrer in Triest, der alle Mühe hat, seine Frau und die zwei Kinder durchzubringen.

Endlich entschließt er sich, das ganze "Stephen Hero"-Manuskript umzuarbeiten. Aber auch das veränderte Konzept gefällt ihm nicht. Im Dezember 1908 schreibt er dem Bruder: "Es beginnt auf einer Bahnstation, wie die meisten Schulgeschichten; es gibt da drei Freunde und eine Schwester, die auf pathetische Weise stirbt. Es ist die alte Trickkiste, und ein guter Kritiker würde wahrscheinlich zeigen, dass ich mich sogar in meinen Geschichten noch immer mit dem Figurenrepertoire herumschlage, das in Europa schon vor einem halben Jahrhundert in der Versenkung verschwand."

Ganz so schlimm ist es nicht. Aber Joyce hat Recht. Er schreibt verspätet, eher altmodisch. Dujardin, Dostojewski und Schnitzler haben ihre inneren Monologe entworfen, da erzählt er noch umständlich: "Stephens Familienleben war inzwischen unerfreulich genug geworden: Die Richtung seiner Entwicklung verlief gegen den Strom des von seiner Familie Erwarteten." Es wird bis 1916 dauern, bis "A Portrait of the Artist as a Young Man", wie die Neufassung heißen wird, erscheint, aber das Warten lohnt sich: Der Verspätete schließt zur Vorhut auf.

"Das Portrait" beginnt jetzt: "Es war einmal vor langer Zeit und das war eine sehr gute Zeit da war eine Muhkuh die kam die Straße heruntergegangen und die Muhkuh die da die Straße heruntergegangen kam, die traf einen sönen tleinen tnaben und der hieß Tucktuck-Baby (. . .) Sein Vater erzählte ihm diese Geschichte: sein Vater sah ihn an durch ein Glas: er hatte Haare im Gesicht."

Auch das P"orträt des Künstlers als junger Mann" ist noch autobiografisch, eine klassische Kindheits-und Jugendgeschichte. Nirgendwo erfährt man so nachvollziehbar, wie aus Jim der berühmte James wurde. Wie ihn die Anhänglichkeit an die Kirche und der Widerstand gegen sie prägten; wie schon der kleine Junge den irischen Unabhängigkeitskampf verfolgte, wie ihn die Verarmung der Familie traf, die erste Liebe, die Auseinandersetzung mit Freunden.

Und doch merkt man auch: Hier kommt etwas anderes. Ähnlich wie der junge Robert Musil in seinem Törless, findet Joyce in der nervösen Wahrnehmung eines intelligenten, empfindsamen Jungen den aufregend neuen Stil der Moderne. (DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.6.2004)