Was passiert, wenn der Fahrgast eines Autoreisezuges seinen Wagen zwar auflädt, aber nicht abholt? "Bisher nicht vorgekommen", heißt es bei den ÖBB. Bisher heißt bis Mittwoch vergangener Woche, als ein herrenloser Pkw dahinter stehende Fahrzeuge blockierte und deren Lenker zu stundenlangem Warten im Wiener Westbahnhof zwang.

Eine der Leidtragenden war Renate W. aus Wien-Währing, die in Feldkirch samt Auto auf die Schiene umgestiegen war. Die Freude auf eine entspannte Heimfahrt endete schon abrupt im Zug: bummvoll. Frau W. hatte nicht ahnen können, dass ausgerechnet mit diesem Zug halb Europa zum Rockfestival Aerodrome nach Wiener Neustadt anreiste.

Entsprechend abwechslungsreich war die Fahrt: dröhnende Soundmaschinen, Unmengen von Bier und zunehmend lallende Umgangsformen. "Toiletten und Gänge waren bald vollgekotzt, aber im Speisewagen wurde weiter munter Alkohol an Jugendliche verkauft", schildert Frau W. dem STANDARD.

Ohne ein Wort der Entschuldigung

Endlich am Ziel wartete sie darauf, dass der Pkw vor ihr abfuhr. Nach einer halben Stunde warteten sie und andere Blockadeopfer immer noch. Erst ein Hupkonzert rief einen Bahnhofsarbeiter in gelber Montur auf den Plan, der erklärte, dass der "vermisste" Lenker den Zug versäumt, den nächsten aber erwischt habe und in zwei Stunden da sei. Mit dieser Informationen wurden die Betroffenen auf dem Bahnsteig allein gelassen. Der Verursacher der Unannehmlichkeiten trudelte schließlich knapp vor Mitternacht ein und machte den Weg ohne ein Wort der Entschuldigung frei.

Entschuldigt haben sich dafür die ÖBB. Vor allem für das fehlende Krisenmanagement. "Man hätte die Betroffenen genau informieren und sie während der Wartezeit versorgen müssen", bedauert Unternehmenssprecher Gary Pippan. Als kleine Wiedergutmachung habe man Reisegutscheine angeboten, der Vorfall werde intern untersucht. Auch wegen der angeblichen Abgabe von Alkohol an Jugendliche im Speisewagen müsse man mit der Betreiberfirma ein ernstes Wort reden. Pippan: "Das ist wie in jedem Restaurant verboten."

Verursacher zahlt

Des Problems, dass versperrte, herrenlose Pkw die dahinter stehenden Fahrzeuge auf dem Reisezug blockieren können, sei man sich bewusst. Ein Herunterheben sei aus technischen Gründen nicht möglich. Das Notfallszenario sieht so aus: Meldet sich ein Lenker nicht selbst, forscht die Polizei über das Kennzeichen den Fahrzeughalter aus. "Erreichen wir die Person gar nicht, alarmieren wir die Feuerwehr, die das Auto dann knackt und wegbringt", so Pippan. Bezahlen muss den Einsatz der Verursacher. (Michael Simoner/DER STANDARD; Printausgabe, 21.6.2004)