Brüssel - Die EU-Staats- und Regierungschefs werden vermutlich am 27. oder 30. Juni in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammenkommen, um die Suche nach einem Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi fortzusetzen. In Kreisen der irischen EU-Ratspräsidentschaft hieß es am Montag in Brüssel, diese beiden Daten seien "am wahrscheinlichsten". Offiziell werde Irland den Sondergipfel voraussichtlich Mitte dieser Woche ankündigen. Voraussetzung sei aber, dass bis dahin ein Kandidat gefunden werde.

Beim Brüsseler Gipfel am Donnerstag und Freitag hatten sich die Staats- und Regierungschefs nicht auf einen Kandidaten einigen können. Der konservative EU-Außenkommissar Chris Patten und sein liberaler Gegenspieler, der belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, konnten jeweils keine Mehrheit hinter sich vereinen. Der amtierende EU-Ratspräsident, der irische Regierungschef Bertie Ahern, vertagte daraufhin die Entscheidung. Ahern stehe seit Montag wieder mit den Staats- und Regierungschefs in telefonischem Kontakt, um die Suche fortzusetzen, hieß es.

Solana bereit

Der EU-Außenpolitik-Beauftragte, der spanische Sozialist Javier Solana, hat am Wochenende seine Bereitschaft signalisiert, das Amt des Kommissionspräsidenten zu übernehmen. Die stärkste Partei im neuen EU-Parlament, die christlich-konservative Europäische Volkspartei, hält aber an einem konservativen Bewerber fest. EVP-Fraktionschef Hans Gert-Pöttering sprach sich am Montag für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V), den portugiesischen Ministerpräsidenten Manuel Durao Barroso oder den französischen Außenminister Michel Barnier als Nachfolger Prodis aus. Ihre Namen stünden "gleichberechtigt" neben einander, sagte Pöttering.

Durch die Vertagung der Entscheidung erwartet die EU-Kommission vorerst keine Probleme. Kommissionssprecher Gerassimos Thomas sagte am Montag, es gebe keine rechtlich vorgeschriebenen Termine für das Verfahren zur Benennung des nächsten Kommissionspräsidenten. Daher seien Spekulationen, wonach Prodi als amtierender Kommissionschef über seine Amtszeit hinaus bleiben könnte, "hypothetisch". Das Europäische Parlament will allerdings nach seiner konstituierenden Sitzung am 20. Juli über einen Vorschlag der EU-Staats- und Regierungschefs abstimmen. Die amtierende Kommission ist bis 1. November im Amt. (APA)