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Bilder des Kometen "Wild 2", aufgenommen von "Stardust"

Foto: APA/EPA/NASA
Katlenburg-Lindau - Irgendwo da draußen, zwischen Mars und Jupiter, wird gerade die Geschichte irdischen Lebens neu geschrieben: Dort hat die Nasa-Raumsonde "Stardust", eine Art Staubsauger für kosmische Partikel, Moleküle inhaliert, ohne die wahrscheinlich kein genetisches Material hätte entstehen können. Das berichtet ein an der US-Mission beteiligtes Forscherteam um Jochen Kissel vom deutschen Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau im Fachjournal "Science". Hatten die Sumerer vor 5000 Jahren Recht mit ihrer Behauptung, der Staub der Sterne sei der Samen des Lebens?

Vor 14,7 Milliarden Jahren soll das Universum entstanden sein. Vor fünf Milliarden Jahren soll sich unser Planetensystem durch Zusammenballung einer dichten interstellaren Staubwolke gebildet haben. Kometen gelten als materiell am wenigsten veränderte Zeugen dieses Vorganges. Als weiterer Zeuge gilt eine seit 50 Millionen Jahren unser Planetensystem durchdringende kosmische Staubwolke.

Vor fünf Jahren startete "Stardust", um Teilchen aus dem interstellaren Staub und aus dem Schweif des Kometen "Wild 2" einzufangen, zu analysieren und zur Erde zu bringen - sie wird 2006 zurückerwartet. Doch schon heute überraschen die ersten Analysedaten des eingefangenen "Stardusts": Der Ursprung von zwei der drei Stammbäume des Lebens auf der Erde (Prokaryonten und Eukaryonten) erscheint in neuem Licht. Nur Archeae scheinen eine Sonderstellung einzunehmen.

Prokaryonten, zu denen Bakterien gezählt werden, sind Lebewesen ohne Zellkern, besitzen ein ringförmiges Erbmolekül, aber keine Zellorganellen - etwa Mitochondrien. Eukaryonten, aus denen Pflanzen, Tiere und Menschen hervorgegangen sind, besitzen einen Zellkern und Organellen. Archeae (auch Archaebakterien) unterscheiden sich in Membranaufbau und Stoffwechsel von den anderen, können im Gegensatz zu den beiden unter Extrembedingungen leben.

In den nun eingefangenen Staubpartikeln fanden sich sauerstoffreiche Aromate und Chinoide. Solche Stoffe gelten als ausgezeichnete "Redox-Katalysatoren"; sie regeln den Elektronenaustausch für das Zustandekommen von chemischen Verbindungen. Weiters wurden stickstoffhaltige Aromate gefunden. Ein solches ist beispielsweise das Adenin - der wichtigste Baustein des menschlichen Erbguts DNA, der sich aus Blausäure ableitet, die im Kometenstaub vorkommt. Auch andere Nukleinbasen der DNA zeigen sehr enge Verwandtschaft zu dieser kosmischen Molekülgruppe.

Und schließlich wurde eine ganze Menge "PQQ-artiger Co-Enzyme" gefunden. Diese Gruppe kommt mit Ausnahme der Archeae in allen Lebewesen vor. Ohne sie kann sich kein Erbmolekül bilden und sie spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Synthese von Peptiden (Aminosäureketten) aus Erbmolekülen.

Es könnte also sein, dass diese molekülreichen Staubkörner vor 3,6 Milliarden Jahren die chemische Evolution auf der Erde angetrieben haben, sich daraus Erbmoleküle und damit Lebens gebildet haben. Noch heute fallen jährlich etwa 4000 Tonnen Sternenstaub auf die Erde. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 6. 2004)