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Krejci: "Ich habe im Jahr 2000 schon gesagt, das wird ein Problemfall sein, denn die FPÖ in dieser Form ist nicht regierungsfähig. Daran halte ich fest.

foto: apa/gindl
Der bisher als Großkoalitionär profilierte Herbert Krejci entdeckt seine Sympathie für die Grünen, die zur Regierungspartei heranreifen - aber erst müsse Wolfgang Schüssel die Suppe auslöffeln, sagt Krejci im Gespräch mit Conrad Seidl.

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Standard: Sie gelten als Paradebürgerlicher und haben bei der Bundespräsidentenwahl Heinz Fischer unterstützt - waren Sie bei der Europawahl auch wählen? Und verraten Sie, wen Sie gewählt haben?

Krejci: Wen ich gewählt habe, das sage ich nicht. Aber ich habe gewählt. Wirklich. Wobei sich in Umfragen nachträglich herausstellt, dass mehr Leute den Anschein erwecken wollen, dass sie hingegangen sind, als es tatsächlich waren - es scheint manche das schlechte Gewissen gepackt zu haben.

Standard: Und der Wahlausgang, der die Koalition ja offenbar belastet? Wie bewerten Sie den?

Krejci: Lieber Freund, ich habe im Jahr 2000 schon gesagt, das wird ein Problemfall sein, denn die FPÖ in dieser Form ist nicht regierungsfähig. Daran halte ich fest. Ich tue mir nichts mehr an, dem Herrn Bundeskanzler Ratschläge zu geben. Er hat das gemacht, er muss das jetzt auslöffeln.

Standard: Nun zerbröselt möglicherweise die FPÖ - aber sehr großen Schaden scheint die ÖVP daran nicht zu nehmen?

Krejci: Er braucht irgendwann einen Regierungspartner, nicht? Die FPÖ wird trotz aller krampfhaften Bemühungen auf Dauer kein Partner für stabile Politik sein. Eine Regierungsbildung wird vielleicht möglich sein, weil das Sesselkleben gewisser Leute ist ja jetzt schon manifest. Für die Journalisten ist das ein Fressen - da wird einiges dumpfester Natur herauskommen.

Standard: Sie haben den Bundeskanzler persönlich davor gewarnt?

Krejci: Nein, das habe ich nicht. Eigentlich haben wir über das nie gesprochen seit dem Jahr 2000, das ist ja das Merkwürdige. Ich habe Doktor Schüssel immer sehr, sehr respektiert und ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit. Aber wir haben nie ein ernsthaftes Gespräch darüber geführt und das hat mich manchmal ein bisserl gewundert, weil so ganz auf der Suppe dahergeschwommen ist man ja auch nicht.

Standard: Ihre Erfahrung ist eine großkoalitionäre. Ist denn die SPÖ derzeit so ein attraktiver Partner?

Krejci: Das ist sie nicht. Aber es gibt ja Bestrebungen, dass man, wenn man schon keinen Spitzenkandidaten findet, zumindest um Alfred Gusenbauer herum ein Expertenteam aufbaut. Da scheint von verschiedenen Seiten kräftig Druck gemacht zu werden. Ich würde aber Gusenbauer ja nicht unterschätzen - der Mann ist hoch gebildet und hat in der "Pressestunde" am Sonntag gar nicht so negativ gewirkt. Aber er hat Defizite. Und die SPÖ, eine so große Partei mit so einer Tradition kann, doch nicht überhaupt keine Leute mehr haben. Das kann doch nicht sein, bitte!

Was mich immer wundert, ist, dass die großen Kaderschmieden AK und Gewerkschaftsbund offenbar nicht mehr funktionieren wie früher. Mir liegt das am Herzen, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert - und ein passabler Weg zu einer Sozialpartnerschaft für das neue Jahrhundert gefunden wird.

Standard: Trauen Sie der Koalition noch zu, etwas zustande zu bringen - etwa die Pensionsharmonisierung, wo ja die Sozialpartner dabei sind?

Krejci: Vielleicht mit Ächzen und Stöhnen - aber dass eine Lösung zustande kommt, die längere Zeit hält, bezweifle ich. Zu einer großen Kraftanstrengung ist die Koalition nicht mehr fähig.

Standard: Also lieber Neuwahlen?

Krejci: Die FPÖ kann da ja kein Interesse haben, da wird sie noch mehr zermerschert. Wenn Sie täglich im Radio diese hilflosen Äußerungen hören - wer sich da in den Vordergrund drängt! Das ist ja beschämend für so eine Partei. Und ob die Stimmung für die ÖVP so günstig ist, möcht’ ich auch bezweifeln.

Standard: Für die Grünen wäre sie derzeit günstig . . .

Krejci: Die beeindrucken mich. Die sind sicher zur potenziellen Regierungspartei herangereift - aus einer losen Protestformation heraus. Sie haben an Reife und Kompetenz zugenommen. Was mich als Europäer beeindruckt, ist, dass die Grünen heute die eigentliche Europapartei sind. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.6.2004)