Washington - Menschliche Nähe und sozialer Kontakt schützen vor einem erneuten Herzinfarkt oft besser als Arzneien. Zu diesem Schluss kommen britische Wissenschafter um Francis Reed vom Manchester Royal Infirmary in einer im US-Fachmagazin Heart veröffentlichten Studie.

Sie beobachteten ein Jahr lang 1034 Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten hatten. Im Laufe dieser zwölf Monate erlitten 583 Patienten einen erneuten Herzinfarkt, etliche von ihnen verstarben schließlich daran. Anhand von Befragungen stellten die Forscher fest, dass jene Herzinfarktpatienten, die in engem Kontakt mit Verwandten oder einem guten Freund standen, denen sie sich anvertrauen konnten, ihr Risiko für eine erneute Attacke halbieren konnten.

Die Forscher gehen daher davon aus, dass neben den bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, starker Alkoholgenuss, wenig Bewegung und schlechte Ernährung die menschliche Nähe eine ebenso wichtige Rolle spielt.

Wie Reed vermutet, reagieren einsame Patienten ausgeprägter auf Stress und Depressionen mit einem erhöhten Herzschlag und der Körper stehe insgesamt ständig unter Spannung. Das ist besonders in der Phase nach dem Herzinfarkt gefährlich, da hier das Herz anfälliger ist für Rhythmusstörungen.

Auch Wissenschafter um John Cacioppo von der Universität von Chicago beobachteten laut einer im Fachjournal Psychosomatic Medicine veröffentlichten Untersuchung, dass das kardiovaskuläre System von einsamen Menschen anders reagiert - egal, welchen Alters.

So zogen sich in den Testreihen an einsamen Studenten bei der Durchführung mental und emotional stressiger Aufgaben die Blutgefäße zusammen, wodurch der vaskuläre Widerstand und somit der Blutdruck anstieg. Dieser Zustand, wenngleich in weniger ausgeprägter Form, war auch bereits vor den stressigen Aufgaben zu beobachten. Chronischer Bluthochdruck und ein hoher vaskulärer Widerstand können auf Dauer zu einem Herzinfarkt oder Hirnschlag führen.

Studenten mit sozialen Kontakten hingegen entwickelten zwar ebenso einen höheren Blutdruck, allerdings aufgrund des schnelleren Herzschlags, was eine normale Reaktion auf Stress ist.

In einer Parallelstudie zeigte sich auch bei älteren Menschen, dass bei Alleinstehenden der systolische Blutdruck mit dem Alter ansteigt, während er in einer Partnerschaft eher stabil blieb. Die Forscher vermuten den Grund darin, dass einsame Menschen dazu tendieren, eher ängstlich und passiv auf ihr soziales Umfeld reagieren. Diese Erkenntnisse zeigten neben einer diätetischen und medizinischen auch die Wichtigkeit und Effizienz einer sozialen Gesundheitsvorsorge auf. (boja/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 6. 2004)