Innsbruck - "Das Pflegepersonal ist vielfach überfordert, und der Kostendruck schlägt sich auf die Betreuungsqualität nieder. Viele Beschäftigte sind hochmotiviert, aber kurz vor dem Ausbrennen", fasst Christian Traweger vom Marktforschungsinstitut IMAD zusammen. 300 in Tirol tätige Altenpflegerinnen und -pfleger sind für eine Studie über die Befindlichkeit des Pflegepersonals im Auftrag der AK-Tirol befragt worden. AK-Präsident Fritz Dinkhauser spricht von einem "drohenden Kollaps des Pflegesystems" und fordert einen Pflegegipfel.Das Spannungsfeld, in dem professionelle Pflegearbeit stattfindet, spiegelt sich darin, dass 46 Prozent der Pfleger angeben, Tätigkeiten ausüben zu müssen, für die sie nicht ausreichend ausgebildet sind - zugleich beklagen 44 Prozent, für Teile ihrer Arbeit überqualifiziert zu sein. Fast die Hälfte (42,6 Prozent) hat Entscheidungen zu treffen, die eigentlich in ärztliche Verantwortung fallen. Dinkhauser leitet daraus die Forderung nach ständig verfügbaren Ärzten in den Pflegeheimen ab. Genügend bis Nicht genügend

Untertags wird die Betreuung der alten Menschen von 78,4 Prozent des Pflegepersonals als sehr gut oder gut eingestuft, an Wochenenden und während der Nacht sinke die Qualität aber wegen der knappen Personalressourcen ab. Jeweils knapp über 20 Prozent vergeben nach der Schulnotenskala für die nächtliche Betreuung ein Befriedigend oder gar nur ein Genügend bis Nicht genügend.

Nur 24,2 Prozent der Pflegerinnen beurteilen die Entlohnung als sehr gut oder gut. Bemerkenswert, dass 87,5 Prozent der Befragten angeben, dass sie nochmals die gleiche Berufswahl treffen würde. Allerdings steigt bei den über 50-Jährigen die Zahl jener, die sich anders entscheiden würden, auf über 20 Prozent an. Finanzbedarf

Für Soziallandesrätin Christa Gangl (SP) decken sich die Ergebnisse der Studie mit ihren eigenen Einschätzungen: "Die Situation ist am Tisch, und man müsste blind sein, die Probleme nicht zu erkennen", meint Gangl und kündigt ein lange diskutiertes Heimgesetz für den Herbst an. Gangl hofft, sowohl den Gemeindeverband wie auch den Koalitionspartner ÖVP davon überzeugen zu können, dass sich eine Pflegeoffensive nicht alleine auf Neubauten beschränken dürfe. Der zusätzliche Finanzbedarf sei derzeit aber auch größenordnungsmäßig noch nicht benennbar.

Ein Arbeitskreis ihres Ressorts definiere derzeit Qualitätsstandards, die es aber zulassen sollen, dass die einzelnen Heime unterschiedliche Leitbilder formulieren können. Bei den Arbeitsfeldern "im Grenzbereich der Legalität" gehe es darum, dass Ärzte unmittelbar tätig werden oder das Pflegepersonal bei klar umrissenen ärztlichen Aufträgen, erklärt Gangl. (hs/DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2004)