Washington/London/Dublin - Nach anhaltenden Vorwürfen der Menschenrechtsverletzung wollen die USA jetzt jährlich die rund 500 Gefangenen auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba auf eine Freilassung überprüfen. Ende kommender Woche würden Militärkommissionen ihre Arbeit aufnehmen, sagte der hochrangige Beamte im US-Verteidigungsministerium, Gordon England, am Mittwoch in Washington. Ziel sei es festzustellen, welche Gefangenen weiter in Haft bleiben sollen oder unter Auflagen in ihre Heimatlander gebracht oder freigelassen werden.

Während des Afghanistan-Krieges hatten die USA das Gefangenenlager für mutmaßliche Taliban- und El-Kaida-Kämpfer angelegt. Zu den Gefangenen gehört auch der Deutschtürke Murat Kurnaz aus Bremen.

Zusammensetzung der Militärkommission

Jede Militärkommission soll den Angaben zufolge aus drei Offizieren bestehen und mit Informationen aller US- Regierungsorganisationen - damit auch von den Geheimdiensten - versorgt werden. Die Kommissionen wollen außerdem Informationen aus den Heimatländern sowie von den Familien der Gefangenen einholen. Jeder Inhaftierte soll sich mit Hilfe eines Dolmetschers äußern dürfen.

Abklären, ob Gefangene Sicherheitsrisiko darstellen

Die Kommissionen wollen nach den Worten von Gordon während der Überprüfung feststellen, ob Gefangene ein Sicherheitsrisiko für die USA darstellen und ob sie "wertvolle Informationen" besitzen. Gordon sprach von einer Balance zwischen den Menschenrechten für die Gefangenen sowie der notwendigen Sicherheit für die Vereinigten Staaten.

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

Die USA sind seit Monaten anhaltender Kritik von Menschenrechtsorganisationen ausgesetzt, weil sie auf der US- Militärbasis Guantanamo auf Kuba seit über zwei Jahren mutmaßliche Taliban-Kämpfer und El-Kaida-Mitglieder aus 40 Ländern ohne Anklage und Zugang zu Anwälten festhalten.

Ankündigung eine Woche vor dem Rechtsspruch des Obersten US-Gerichtshofes

Die Ankündigung des Verteidigungsministeriums kommt eine Woche vor einem mit Spannung erwarteten Rechtsspruch des Obersten Gerichtshofes der USA. Die neun Richter des höchsten US-Gerichts müssen klären, ob die im Ausland festgenommenen und in Guantanamo inhaftierten mutmaßlichen militanten Islamisten und Terroristen der US- Rechtsprechung unterliegen und damit gegen ihre Inhaftierung und Haftbedingungen klagen können.

Aus Sicht der US-Regierung handelt es sich bei den Häftlingen um so genannte "ungesetzliche Kämpfer", die nicht nach dem humanitären Völkerrecht als Kriegsgefangene behandelt werden müssen. Dagegen sieht das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) den Rechtsstatus der Gefangenen weiterhin als ungeklärt an.

amnesty: EU muss Schweigen zu US-Menschenrechtsverletzungen brechen

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international drängt die Europäische Union, US-Präsident George W. Bush bei seinem bevorstehenden Besuch in Irland auf Menschenrechtsverletzungen im Irak und in Afghanistan anzusprechen. Die EU müsse ihr "beschämendes Schweigen" brechen, forderte die Menschenrechtsorganisation in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den irischen Ministerpräsidenten und gegenwärtigen EU-Ratspräsidenten Bertie Ahern. US-Präsident Bush wird an diesem Freitag zu einem Besuch bei Ahern und zu einem europäisch-amerikanischen Gipfeltreffen in Irland erwartet.

"Dieser Gipfel ist der ideale Ort, Bush das Ausmaß des internationalen Entsetzens über die Haftlager im Irak, Guantanamo Bay und Afghanistan vor Augen zu führen", hieß es in dem Schreiben. Laut amnesty liegen "klare Beweise" dafür vor, dass die US-Regierung im Rahmen der Terrorbekämpfung gegen die Menschenrechte verstoßen hat. Bush dürfe deshalb Irland "nicht ohne die deutliche Botschaft verlassen", dass die EU von ihrem wichtigsten Partner die Einhaltung des im Völkerrecht verankerten Folterverbots erwarte.

Die EU und einzelne Mitgliedstaaten haben die Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten bereits mehrfach scharf verurteilt. (APA/dpa)