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Selbtmordanschlag vor einer Polizeiwache in Mosul

Foto: REUTERS/Namir Noor-Eldeen

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Grafik: APA
Bagdad - Eine Woche vor der geplanten Machtübergabe hat eine Serie von Anschlägen und Gefechten mit mehr als 90 Toten den Irak erschüttert. Allein bei der Explosion von mindestens fünf Autobomben in der nordirakischen Stadt Mosul starben etwa 50 Menschen, berichtete das Staatsfernsehen. Da sich die Attacken vor allem gegen Polizeiwachen richteten, waren viele Polizisten unter den Opfern. Bei den offensichtlich koordinierten Angriffen auf Polizeistationen im westirakischen Ramadi und in der nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Baakuba waren zuvor nach Angaben arabischer Sender rund 30 Menschen getötet worden. Die meisten Opfer gehörten den Sicherheitskräfte an. In Ramadi kamen nach Informationen von Al Jazeera acht Polizisten und ein Zivilist ums Leben. Die Rebellen zielen mit ihren Angriffen nach eigenen Angaben besonders auf jene Iraker, denen sie Kollaboration mit den Besatzern vorwerfen.

Fünf Autobomben fast zeitgleich in Mosul explodiert

In Mosul im Norden des Landes explodierten fast zeitgleich fünf Autobomben in der Nähe von Polizeiwachen. Über das Fernsehen wurden die Bürger aufgefordert, in den Häusern zu bleiben. Die Polizei sperrte alle Hauptstraßen und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre. In der Stadt war Gefechtslärm zu hören. Mindestens 216 Menschen sollen durch die Anschläge in Mosul verletzt worden sein. Unter den 44 Toten ist nach Militärangaben auch ein US-Soldat.

Angriff auf Polizeiwache in Bakuba

In Bakuba griffen Aufständische eine Polizeiwache mit Gewehren und Granaten an. In der Stadt seien die Rebellen unterwegs gewesen und hätten jeden irakischen Polizisten und US-Soldaten angegriffen, dem sie begegnet seien, berichteten Augenzeugen. Bewohner Bakubas berichteten, die Angreifer seien ihnen unbekannt. Sie hätten gelbe Stirnbänder getragen mit dem Namen einer militanten Gruppe namens Saraja el Tauhid und Dschihad (Bataillon der Vereinigung und des Heiligen Krieges). Der Name ist ähnlich dem der Gruppe des Jordaniers Abu Musab al Zarkawi - Dschama'at el Tauhid und Dschihad. Die Männer hätten Flugblätter verteilt, auf denen die Iraker vor einer Zusammenarbeit mit den Amerikanern gewarnt worden seien. "Das Fleisch der Kollaborateure ist schmackhafter als das der Amerikaner", hieß es auf den Blättern.

Gefolgsleute von al Zarqawi übernehmen Verantwortung

Im Fernsehsender Al Jazeera sagten die Rebellen, sie seien Anhänger Zarkawis. Er gilt als Vertreter der Extremistenorganisation El Kaida im Irak und hat sich zu zahlreichen Anschlägen und Geiselmorden bekannt und hatte mit der Ermordung des Ministerpräsidenten Iyad Allawi gedroht. Die Bewohner wurden aufgefordert, ihre Wohnhäuser nicht zu verlassen. Der Verfasser kündigte weitere Anschläge an.

Granaten auf Polizeiwachen in Ramadi gefeuert

Im Ramadi, das 110 Kilometer westlich von Bagdad liegt, feuerten Rebellen Granaten auf zwei Polizeiwachen. Die Rebellen lieferten sich auch Schießereien mit US-Soldaten. Ein irakischer Wachmann sei dabei getötet worden, berichteten Augenzeugen.

Autobombe in Bagdad explodiert

Im Süden Bagdads explodierte eine Autobombe an einer Straßensperre, an der US-Soldaten und Angehörige der irakischen Nationalgarde gemeinsam Autos kontrollierten. Dabei sollen sechs Menschen getötet worden, wie aus einem Krankenhaus verlautete. Von Kämpfen im Westen der Hauptstadt wurden neun Todesopfer und 37 Verwundete gemeldet.

US-Flugzeuge warfen drei 250-Kilo-Bomben auf vermutete Aufständischen-Stellungen in Baakuba. Zuvor hatten die Rebellen im Zentrum der Stadt ein Regierungsgebäude, eine Polizeiwache sowie eine US-Patrouille attackiert, bestätigte ein Sprecher der US-Armee. Die vermummten Aufständischen setzten Mörser, Panzerfäuste, Sprengsätze und Handfeuerwaffen ein. Zwei US-Soldaten wurden getötet und sieben verletzt, fügte der Sprecher hinzu.

Schwere Kämpfe in Falluja

In Falluja starben bei Gefechten zwischen Aufständischen und US-Truppen nach Angaben des irakischen Fernsehens 20 Iraker. Explosionen waren zu hören, und über der Stadt flogen Kampfhubschrauber und -flugzeuge. Mit deren Unterstützung rückten gepanzerte Fahrzeuge in die Stadt ein, die die US-Truppen vor wenigen Wochen nach einer vereinbarten Waffenruhe verlassen hatten. Die US-Armee teilte mit, ein Hubschrauber vom Typ "Cobra" sei nahe Falluja abgeschossen worden, es habe aber keine Opfer gegeben. Ein Reuters-Fotograf berichtete aus der Stadt, die US-Truppen hätten schwere Bomben auf vermutete Positionen der Rebellen abgeworfen.

Wegen der anhaltenden Gewalt im Irak hat Ministerpräsident Ijad Allawi die Möglichkeit von Notstandsgesetzen ins Gespräch gebracht. Am Vortag war über das Internet eine Morddrohung gegen ihn verbreitet worden, vermutlich von Sarkaui. Unmittelbar danach hatte Allawi erklärt, er werde sich durch Morde und Drohungen nicht von seinem Ziel eines friedlichen und demokratischen Irak abbringen zu lassen.

NATO will Hilfsgesuch aus Bagdad nachkommen

Die NATO wird aller Voraussicht nach auf das Hilfsgesuch der irakischen Übergangsregierung eingehen, das Land beim Wiederaufbau zu unterstützen. Diese Frage sei unter den 26 Mitgliedern unstreitig, hieß es am Donnerstag in diplomatischen Kreisen bei der Allianz in Brüssel. Klar sei aber auch, dass die Allianz keine Truppen in das Land schicken werde. Ein ranghoher Diplomat sagte: "Das ist die letzte Karte in diesem Spiel. Wenn es die Regierung nicht schafft, dann entsteht die Gefahr, dass das Land abkippt in einen Bürgerkrieg." Allawi hat die NATO in einem Brief darum gebeten, vor allem bei der Ausbildung von Sicherheitskräften zu helfen. Wie dies in der Praxis konkret aussehen wird, ist offen. Diplomaten schlossen aber aus, dass die NATO etwa in Bagdad unter eigener Flagge ein Ausbildungszentrum aufbauen werde. (Reuters/APA/AP/red)