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Heinz Fischer

Foto: APA/Roland Schlager
Istanbul/Brüssel - Die EU ist nach Einschätzung des designierten Bundespräsidenten Heinz Fischer derzeit nicht in der Lage, einen EU-Beitritt der Türkei zu verkraften. Zuerst müsse die EU die jüngste Erweiterung der Union um zehn neue Mitgliedsstaaten "verdauen", erklärte Fischer der türkischen Zeitung "Aksam". Die EU sei "derzeit nicht für die Türkei bereit", sagte Fischer weiter. Er selbst habe die türkische EU-Bewerbung stets unterstützt, doch sei der Zeitpunkt für eine türkische Mitgliedschaft nach der EU-Erweiterung nicht richtig. Die EU will im Dezember über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entscheiden.

"Fehler liegt bei der EU"

Der stellvertretende Vorsitzende der türkischen moderat-islamischen Regierungsprtei AKP, Dengir Mir Mehmet Firat, sagte gegenüber "Aksam", immerhin habe Fischer in dem Interview zugegeben, dass der Fehler bei der EU liege, nicht bei der Türkei. Das sei ein Fortschritt, weil bisher immer das Argument zu hören gewesen sei, dass die Türkei die Kopenhagener Kriterien nicht erfülle.

Türkeibeitritt könnte EU-Gleichgewicht verändern

Der niederländische Außenminister und künftige EU-Ratsvorsitzende Bernard Bot hatte sich am Mittwoch gegen eine Festlegung zum Beitrittswunsch der Türkei zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. "Es ist voreilig, solche Erklärungen zu machen, umso mehr als wir alle gesehen haben, dass die Türkei in relativ kurzer Zeit beträchtliche Fortschritte gemacht hat", sagte Bot in Brüssel mit Bezugnahme auf die Aussagen Fischers in "Aksam". Reuters zitierte Fischer aus der Zeitung "Aksam" mit den Worten, er unterstütze persönlich einen möglichen EU-Beitritt der Türkei, es sei aber "schwierig zu sagen", ob schon der richtige Zeitpunkt für den Start von Verhandlungen sei. "Wir reden von einem Land mit 70 Millionen Einwohnern. Die Türkei kann das Gleichgewicht in der EU ändern. Sie kann alles auf den Kopf stellen."

In Gespräch mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel hatten sowohl Bundespräsident Thomas Klestil als auch sein designierter Nachfolger Fischer am Wochenende ebenfalls die Frage eines EU-Beitritts der Türkei erörtert.

Deutschland für Beitritt

Die Zeitung "Vatan" zitierte am Donnerstag den deutschen Außenminister Joschka Fischer mit den Worten, die Türkei müsse sich vor allem bemühen, den Widerstand Frankreichs und Österreichs gegen die eine türkische EU-Mitgliedschaft zu überwinden. Die deutsche Rot-Grün-Regierung dagegen unterstütze den türkischen Beitrittswunsch voll und ganz. Ähnlich äußerte sich der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die deutschen Unionsparteien wiederum sind derzeit strikt gegen einen Türkei-Beitritt. (APA)