Ricardo ohne Handschuhe
Im Elferschießen verschossen zunächst Beckham und Rui Costa, dann scheiterte Vassell an Keeper Ricardo (ohne Handschuhe), der anschließend den entscheidenden Penalty verwandelte. Portugal trifft nun im ersten Semifinale am kommenden Mittwoch (20.45/live ORF 1) im Estadio Jose Alvalade von Lissabon auf den Sieger der Partie Schweden gegen Niederlande (Samstag in Faro/live 20.45 ORF 1). Das Endspiel steigt am 4. Juli dann wieder im Estadio da Luz.
Die Führung für die Engländer fiel bereits in der 3. Minute. Costinha verlängerte einen weiten Abschlag von Englands Goalie James mit dem Kopf Richtung eigenes Tor, Owen hatte aber bereits mit einem Rückpass spekuliert, bekam den Ball mit dem Rücken zum Tor serviert und beförderte das Leder direkt aus der Drehung ins Tor. Nach dem schnellen Gegentreffer folgten sofort wütende Angriffe der Gastgeber, doch Ronaldo (6./Schuss abgeblockt), Maniche (9./James parierte) und Gomes (10./knapp daneben) scheiterten.
England mit weiteren Chancen
Österreichs WM-Quali-Gegner beschränkte sich freilich nicht darauf, das Resultat zu verwalten: In der 19. Minute tauchte Owen nach schöner Kombination über Lampard und Scholes plötzlich allein vor dem Portugal-Tor auf, schupfte den Ball aber knapp über die Querlatte. Zwei Minuten später ging ein Kopfball des aufgerückten Campbell nur knapp über das Gehäuse von Ricardo, der zudem in der 30. Minute bei einem Schuss von Owen sein ganzes Können aufbieten musste.
Zu diesem Zeitpunkt war Shooting-Star Rooney schon nicht mehr auf dem Feld. Der vierfache EM-Torschütze hatte sich in einem Duell mit Andrade den Mittelfußknochen gebrochen und wurde in der 27. Minute durch Vassell ersetzt.
Portugal nach dem Seitenwechsel tonangebend
Die Portugiesen blieben zwar zumeist die tonangebende Mannschaft, wirklich gefährlich wurden sie aber mit Ausnahme eines abgefälschten Passes von Miguel (25./James mit Problemen) und Deco (33./daneben) nicht.
Nach dem Seitenwechsel verlagerte sich das Spiel fast zur Gänze in die Hälfte der Engländer. Die Eriksson-Truppe vermochte sich nur selten zu befreien, das lag auch daran, dass Rooney von Vassel nicht einmal annähernd adäquat ersetzt wurde, wodurch die weit nach vorne geschlagenen Bälle fast immer postwendend retour kamen. Dennoch wusste die Scolari-Elf mit ihrem spielerischen Übergewicht zunächst nicht viel anzufangen, die magere Ausbeute war eine Flanke an die Latte von Nuno Valente (50.), ein Kopfball weit neben das Tor von Ronaldo (59.) sowie Schüsse von Gomes (62./James sicher), Simao (66./daneben) und Figo (74./James mit Mühe), der kurz danach ausgewechselt wurde.
Figo-Ersatz erzielte Ausgleich
Ausgerechnet dessen Ersatzmann Postiga sorgte für den vielumjubelten Ausgleich des EM-Gastgebers. Der Angreifer war in der 83. Minute nach einer Flanke von Simao aus fünf Metern per Kopf zur Stelle. Aufregung gab es noch einmal in der 90. Minute, als Owen nach Beckham-Freistoß die Latte traf und Campbell den abspringenden Ball ins Tor köpfelte. Der Torjubel blieb den Engländern jedoch im Hals stecken, denn Schiedsrichter Meier entschied auf Foul an Tormann Ricardo von Terry.
Die ersten Minuten in der Verlängerung standen zunächst im Zeichen der Portugiesen, die beste Chance hatte Nuno Gomes (97.) per Kopf. Gegen Ende der ersten Hälfte der Verlängerung wurden die Engländer stärker, hatten aber bei einem Kopfball von Beckham (101.) Pech.
Rui Costa mit der Führung
In der zweiten Hälfte kamen die Portugiesen dem 2:1 denkbar nahe, als Campbell nach einem Kopfball von Nuno Gomes aus kurzer Distanz auf der Linie rettete. Wenige Sekunden später wähnten sich die Gastgeber bereits im Viertelfinale: Der ebenfalls eingewechselte Rui Costa schloss einen Solo-Lauf mit einem strammen Schuss vom Strafraum unter die Latte ab. In der 114. Minute hatte Simao schon die Entscheidung auf dem Fuß, sein Schuss ging aber knapp vorbei.
Schließlich durften doch noch die Engländer jubeln. Nach einem Eckball von Beckham legte Terry per Kopf für Lampard auf, der in der 115. Minute aus der Drehung zum 2:2 traf.
Beckham verschoss als Erster
Im Elferschießen spielten wieder einmal Beckham, der schon gegen Frankreich versagte, die Nerven einen Streich. Der Kapitän schoss weit drüber, genauso wie wenig später Rui Costa. Den entscheidenden Penalty verhaute Vassell, der an dem in dieser Phase ohne Handschuhe spielenden Keeper Ricardo scheiterte. Der Goalie avancierte danach zum Held des Abends, als er zum Endstand von 6:5 traf.
Für England geht damit der "Elfer-Fluch" weiter. Nahezu alle Elfmeterschießen gingen verloren, so zuletzt bei der Heim-EM 1996 im Semifinale gegen Deutschland oder 1998 im WM-Achtelfinale gegen Argentinien. (APA)
Estadio da Luz, 62.275 (ausverkauft), SR Urs Meier (SUI).
Torfolge: 0:1 ( 3.) Owen, 1:1 ( 83.) Postiga, 2:1 (110.) Rui Costa, 2:2 (115.) Lampard
Torfolge Elferschießen: 0:0 Beckham drüber, 1:0 Deco, 1:1 Owen, 2:1 Simao, 2:2 Lampard, 2:2 Rui Costa drüber, 2:3 Terry, 3:3 Ronaldo, 3:4 Hargreaves, 4:4 Maniche, 4:5 Cole, 5:5 Postiga, 5:5 Vassell gehalten, 6:5 Ricardo
Portugal: Ricardo - Miguel (79. Rui Costa), Carvalho, Andrade, Valente - Maniche, Costinha (63. Simao), Deco - C. Ronaldo, Nuno Gomes, Figo (75. Postiga)
England: James - G. Neville, Terry, Campbell, A. Cole - Beckham, Lampard, Gerrard (81. Hargreaves), Scholes (57. P. Neville) - Rooney (27. Vassell), Owen
Gelbe Karten: Costinha (56./Foul), Deco (85./Foul), Carvalho (119./Foul) bzw. Gerrard (37./Foul), G. Neville (44./Foul), P. Neville (92./Foul)