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Jose Durao Barroso

Foto: APA/epa/Joao Relvas
Madrid/Lissabon - Deutschland will die Kandidatur des portugiesischen Regierungschef Jose Manuel Durao Barroso als EU-Kommissionspräsident unterstützen. Das sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Sonntag in Berlin. Schröder hatte am Vorabend mit dem EU-Ratsvorsitzenden und irischen Ministerpräsidenten Bertie Ahern über das Thema gesprochen.

"Fragen klären"

"Ich denke, dass Herr Barroso damit rechnen kann, eine ausreichende Unterstützung zu bekommen", sagte Schröder am Sonntag in Berlin unmittelbar vor seinem Abflug zum NATO-Gipfel in Istanbul. Er habe Ahern dies deutlich gemacht. Schröder schränkte allerdings ein: "Es werden ein paar Fragen noch zu klären sein, die man nicht auf dem offenen Markt austrägt."

Schröder sagte weiters, er sei sich in Gesprächen mit CDU-Chefin Angela Merkel einig gewesen, dass Deutschland eine "herausgehobene wirtschaftspolitische Verantwortung in der EU übernehmen" sollte. Dies wäre für die EU gut, immerhin sei Deutschland die größte Volkswirtschaft in Europa, fügte der deutsche Bundeskanzler hinzu.

Ahern schlägt Barroso vor

Der EU-Ratspräsident und irische Premier Bertie Ahern habe Durao Barroso den Posten angeboten, teilte am Freitagabend das Büro des portugiesischen Präsidenten Jorge Sampaio mit. Der 48-jährige Regierungschef der konservativen sozialdemokratischen Partei habe bereits zugestimmt, die Nachfolge von Amtsinhaber Romano Prodi zu übernehmen - und auch die Zustimmung der meisten EU-Mitglieder habe er bereits erhalten, berichteten spanische und portugiesische Medien am Samstag. Auch der französische Präsident Jacques Chirac soll seine Unterstützung signalisiert haben.

Telefonate

Schröder und Chirac hätten am Freitag mit Durao Barroso telefoniert, berichtete der private portugiesische Sender Radio Renaixenca. Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos erklärte, Madrid wäre über eine Nominierung Durao Barrosos "mehr als begeistert". Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Hans-Gert Pöttering, bezeichnete die mögliche Nominierung des portugiesischen Premiers als "eine sehr gute Wahl". Durao Barroso sei ein "überzeugter Europäer und erfahrener Politiker" und er könne mit der Unterstützung der EVP rechnen.

Pro-USA-Haltung

Zuvor war allerdings verlautet, dass die neue sozialistische Madrider Regierung dem Portugiesen seine pro-amerikanische Haltung in der Irak-Frage übel genommen habe. So war Durao Barroso Gastgeber des Azoren-Gipfels, bei dem US-Präsident George W. Bush, der britische Premier Tony Blair und der inzwischen abgewählte konservative spanische Regierungschef Jose María Aznar den Militärschlag gegen den Irak beschlossen hatten.

Zunächst war erwartet worden, dass der portugiesische Regierungschef noch am Samstag seine Entscheidung über eine Kandidatur bekannt geben werde. Später hieß es dann in Lissabon, vermutlich werde Durao Barroso seine Entscheidung nur intern der irischen EU-Ratspräsidentschaft mitteilen. Presseberichten zufolge war Durao Barroso vom derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Bertie Ahern konsultiert worden, ob er antreten wolle.

Bürgermeister von Lissabon

Die portugiesische Zeitung "Expresso" berichtete, Nachfolger für Durao Barroso an der Spitze der Regierung werde Lissabons Bürgermeister Pedro Santana Lopes. Dies solle in den kommenden zwei Tagen offiziell bekannt gegeben werden. Neben dem portugiesische Ministerpräsidenten war zuletzt auch der Chef des Ölkonzerns BP, Peter Sutherland aus Irland, als möglicher EU-Kandidat genannt worden.

Letzter Anlauf

Die noch bis Mittwoch amtierende irische EU-Ratspräsidentschaft hatte zuvor erklärt, sie unternehme einen letzten Anlauf zur Nominierung eines Nachfolgers für den derzeitigen Kommissionspräsidenten Romano Prodi. Am Montagvormittag werde Ahern entscheiden, ob er für Dienstagabend ein außerordentliches Gipfeltreffen nach Brüssel einberuft. Dies werde aber nur geschehen, wenn Aussicht auf Einigung bestehe.

Kompromiss

Der 48-Jährige Barroso hatte vor zwei Jahren das Amt des Ministerpräsidenten angetreten. Er erfüllt eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Kommissionspräsidenten: Seine Partei, die Sozialdemokraten (PSD), gehört trotz ihres Namens der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) an. Die größte Fraktion im neu gewählten Europaparlament hatte direkt nach der Wahl den Anspruch erhoben, den neuen Brüsseler Chef zu stellen.

Dagegen wurden nun von Seiten der europäischen Sozialdemokraten protestiert: "Wir brauchen einen Präsidenten, der sicherstellt und deutlich macht, dass europäische Entscheidungen im Interesse der einfachen Leute getroffen werden", sagte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Europas (SPE), der frühere dänische Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen, am Samstag in Brüssel. Ein weiterer Punkt spricht jedoch für Durao Barroso: Als Portugiese kommt er aus einem Land, das nicht zu den Gründerstaaten der EU gehört. Das wird für die neuen EU-Staaten als wichtige Geste gewertet. (APA/AP)