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Shakehands zwischen US-Zivilverwalter Paul Bremer und Iraks Ministerpräsident Allawi bei der überraschend vorverlegten Machtübergabe. Bildmitte: Der britische Sonderbeauftragte David Richmond.

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Übergangspräsident Ghazi al Yawar legt den Amtseid ab.

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US-Zivilverwalter Paul Bremer verließ noch am Montag den Irak.

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Bagdad/Istanbul - Nach knapp 15 Monaten Besatzung im Irak hat die US-geführte Koalition am Montag zwei Tage früher als geplant die Souveränität an die Iraker übertragen. Die überraschende Vorverlegung der Machtübergabe hatte Sicherheitsgründe. Mit dem Schritt habe man möglichen Terrorangriffen vorbeugen wollen, sagte der irakische Außenminister Hoshiyar Zebari (Hoshiar Sibari) zuvor am Rande des NATO-Gipfels in Istanbul. "Ich glaube, dass wir diesen Terroristen, Kriminellen, Saddam-Anhängern und antidemokratischen Kräften den Kampf ansagen, indem wir den Termin für die Machtübergabe vorziehen. Nach dem 30. Juni wird es an uns sein, das Land zu führen und die Verantwortung für unsere Sicherheit selbst zu übernehmen. Es wird ein Lackmus-Test für unser Land und unsere Zukunft sein."

Nur wenige Stunden nach der Übertragung der Macht an die irakische Übergangsregierung ist am Montag in Bagdad die Führungsspitze dieser Regierung vereidigt worden. Die Zeremonie begann am Nachmittag mit dem Verlesen von Koran-Suren. Die Minister nahmen vor einer Reihe irakischer Flaggen Platz. Der irakische Interimsregierungschef Iyad Allawi sprach von einem "historischen Tag". "Wir meinen, dass wir in der Lage sind, die Sicherheitslage zu kontrollieren", fügte er hinzu.

Amtseid abgelegt

Übergangspräsident Ghazi al Yawar, Übergangs-Ministerpräsident Iyad Allawi, Vizepräsident Ibrahim Jafari und Vize-Ministerpräsident Barham Salih legten den Amtseid ab, in dem sie gelobten, sich mit allen Kräften für den Schutz der Bevölkerung und der Ressourcen des Landes einzusetzen.

Zuvor hatte der inzwischen abgereiste US-Zivilverwalter Paul Bremer der irakischen Führung Dokumente überreicht, die die Übertragung der Souveränität von der Besatzungsmacht auf die Iraker festhalten. Unter ihnen war auch ein Brief von US-Präsident George W. Bush. Darin äußerte Bush den Wunsch nach einer Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen zum Irak. Diese waren von Bushs Vater, dem damaligen US-Präsidenten George Bush, 1990 eingefroren worden, nachdem der Irak unter dem inzwischen gestürzten Diktator Saddam Hussein das benachbarte Kuwait überfallen hatte. Washington hat mit dem Spitzendiplomaten John Negroponte bereits einen Botschafter für Bagdad ernannt. Er wird in den kommenden Tagen in der irakischen Hauptstadt erwartet. Bremer erklärte: "Ich werde den Irak mit Zuversicht in seine Zukunft verlassen."

In einer Ansprache im Anschluss an die Vereidigung erklärte Allawi, der Irak könne nicht - wie unter Saddam - "von der Geschichte ausgeschlossen bleiben". Der neue Irak werde "ein Irak für alle sein, wo ein jeder das Recht auf ein Leben in Würde hat". Der Regierungschef appellierte an seine Landsleute, "Geschlossenheit zu zeigen" und die Behörden zu informieren, wenn sie etwas über Terror-Gruppen wissen. Allawi wolle alle im Land kämpfenden Ausländer vor Gericht bringen. Gleichzeitig warnte er Anhänger der verbotenen Baath-Partei des entmachteten Präsidenten Saddam Hussein, sich den Aufständischen anzuschließen.

Allawi will den Nachbarn "die Hand zum Frieden reichen"

Allawi versicherte außerdem, dass der Irak den Nachbarn Iran, Türkei, Syrien, Saudiarabien und Kuwait "die Hand zum Frieden reichen" wolle und zugleich ihre Unterstützung in der schwierigen Phase des Übergangs in Anspruch nehmen möchte.

"Vor uns liegen eine Herausforderung und eine Bürde", sagte der irakische Präsident Yawar. "Möge Gott den Irak und seine Bürger schützen."

"Es gibt keinen Weg zurück

Interimspräsident Ghazi al Yawar dankte der US-geführten Besatzungskoalition und unterstrich die Unumkehrbarkeit der Machtübertragung. "Es gibt keinen Weg mehr zurück", sagte Yawar bei der Feier in Bagdad, die in einem mit Stilmöbeln ausgestatteten kleinen Raum des Konferenzzentrums in der streng bewachten so genannten Grünen Zone stattfand. "Dies ist ein historischer Tag, ein glücklicher Tag, ein Tag, auf den sich alle Iraker gefreut haben."

Auch Allawi sprach von einem "historischen Tag". Außerdem betonte er: "Das Blut, das im Irak vergossen wurde, wurde für einen guten Zweck vergossen", nämlich Freiheit und Demokratie. "Die Regierung ist entschlossen, an der Wahl am 2. Jänner des kommenden Jahres festzuhalten", sagte Allawi nach der Zeremonie. "Von heute an existiert die Zivilverwaltung nicht mehr", ergänzte ein hochrangiger Vertreter der Zivilverwaltung. Bereits am vergangenen Donnerstag hatten die Besatzer die letzten elf der 26 Ministerien den Irakern übergeben.

Vorzeitige Machtübergabe war seit Tagen geplant

Die vorgezogene Machtübergabe im Irak war seit Tagen geplant worden. Das sagte der stellvertretende amerikanische Außenminister Richard Armitage am Montag dem US-Radiosender NPR. US-Regierungsvertreter hätten Kollegen in aller Welt vor dem NATO-Gipfel in Istanbul am Sonntagabend informiert.

Die streng geheim gehaltene Zeremonie in Bagdad wurde erst bei Beginn am Montag in der Früh öffentlich bekannt. Das CNN-Büro in Bagdad war in der Früh alarmiert und in das Konferenzzentrum in der streng bewachten Grünen Zone in Bagdad gerufen worden. Das Team habe den Grund dafür erst an Ort und Stelle erfahren.

Souveränität durch UNO-Resolution abgesichert

Die am Montag wiederhergestellte Souveränität wird durch die UN-Sicherheitsratsresolution 1546 vom 8. Juni abgesichert. Aus dieser geht aber auch ihr eingeschränkter Charakter hervor. So bleibt für die Sicherheit im Land eine mehr als 140.000 Mann starke, multinationale Streitmacht unter US-Führung zuständig. Die irakische Führung muss zwar bei "heiklen Angriffsoperationen" konsultiert werden, hat aber kein Veto-Recht.

Die Interimsregierung ist nicht gewählt. Sie war am 1. Juni nach Beratungen zwischen dem US-ernannten Regierungsrat sowie Vertretern der US-Verwaltung und der Vereinten Nationen eingesetzt worden. Sie soll bis zur Bildung einer weiteren Übergangsregierung nach den ersten freien Wahlen bis spätestens Ende Jänner 2005 im Amt bleiben. Diese gewählte Übergangsregierung soll dann eine neue, permanente Verfassung ausarbeiten und diese einer Volksabstimmung vorlegen. Bis spätestens Ende 2005 soll auf der Grundlage dieser Verfassung ein reguläres Parlament gewählt werden. (APA/dpa/AP/Reuters/red)