Das Baltikum ist offenbar wirklich keine "Lieblingsregion" für Österreicher. In Litauen leben gerade mal 35 Auslandsösterreicher, berichtet Botschafter Michael Schwarzinger. Und das, obwohl das Land immer enge Kontakte zum deutschsprachigen Teil des Kontinents unterhielt - nur waren die halt mehr preußisch, weniger österreichisch.

Dass die deutsche Sprache nicht mit der alten Generation ausstirbt, ist ein Anliegen des Botschafters. Er bemüht sich, Deutsch neben Englisch als zweite lebende Fremdsprache an den öffentlichen Schulen zu etablieren, denn mit litauisch allein kommen auch die Litauer nicht weit. Litauisch zählt zu den letzten lebenden indogermanischen Sprachen in Europa, ist mit Sanskrit verwandt - interessant, aber ziemlich exotisch.

Einer, für den von klein auf die Zweisprachigkeit zur guten Kinderstube gehörte, ist Roman Glashauser. Er ist halb Litauer, halb Deutscher. Seit Anfang des Jahres arbeitet er für Porr in Vilnius - und: "Österreicher habe ich noch keine getroffen." Jedenfalls vertrauen die meisten österreichischen Firmen lieber auf einheimisches Personal, wenn sie nach Litauen expandieren. Dänen und Norweger sind viele hier - sie sind auch die stärksten Investoren. "Mit Englisch kommt man hier gut durch." Deutsch allein als Fremdsprache sei riskant - "das können Sie in Polen machen, nicht hier".

Glashauser kann Litauen in Sachen Lebensqualität durchaus empfehlen: "Das Klima hier ist sehr angenehm, und das Leben in der Hauptstadt auch." Ein Reihenhaus in einem guten Viertel in Vilnius sei schon für 1000 Euro Monatsmiete zu bekommen. Früher, so Österreichs Botschafter, seien Gegenstände des täglichen Gebrauchs mitunter Mangelware gewesen - "heute bekommen Sie alles". Glashauser ergänzt: "Wenn Sie darauf gefasst sind, dass es manchmal Ausfälle gibt . . ." Ein Beispiel: "Heute früh hatten wir eine Stunde lang kein Warmwasser." Die leicht schwächelnde litauische Infrastruktur sei auch ein Problem bei den Kontakten zu Österreich, bedauert Botschafter Schwarzinger.

Mit dem Lkw braucht man zwei Tage von Wien nach Vilnius, teilweise geht es über enge, holprige Landstraßen durch Polen und Litauen. Die physische Abwesenheit der Österreicher geht dennoch einher mit einer starken ökonomischen Präsenz.

Die Exporte stiegen im Jahr 2003 um 58,8 Prozent, die österreichischen Ausfuhren nach Litauen durchbrachen deutlich die 100-Millionen-Grenze. Das alles wurde begünstigt durch ein Rekord-Wirtschaftswachstum in Litauen seit Wiedererlangung der Unabhängigkeit: Mit plus neun Prozent ist Litauen an der Spitze der neuen Staaten, und das bei 1,3 Prozent De- flation. Der Nachteil: Die Arbeitslosigkeit blieb 2003 auf demselben hohen Stand wie im Jahr zuvor: 11,3 Prozent. Das Durchschnittsgehalt im mittleren Management beträgt rund 800 Euro - nicht gerade üppig, an mitteleuropäischen Maßstäben gemessen.

Für Ex-Pats, die nach Litauen gehen wollen, ist das niedrige Lohnniveau wahrscheinlich kein Kriterium - die niedrigen Steuern aber schon. Auch in Litauen gibt es die Flat Tax - mit 33 Prozent Steuersatz bei der Lohnsteuer, 17 Prozent bei der Mehrwertsteuer. Freilich gibt es zwischen Österreich und Litauen kein Doppelbesteuerungsabkommen, das muss in jedem Fall individuell verhandelt werden.

Private Sozialversicherung gibt es nicht in Litauen, private Ärzte dagegen schon. Anders als die Esten sind die Litauer weniger zurückhaltend. Sie nehmen Fremde durchaus freundlich auf, sie sind großzügig und gastfreundlich - doch wer sie "schmieren" will, bekommt eine Abfuhr. Glashauser, bestimmt: "Es gibt hier definitiv keine Korruption." Interessanter Nachsatz: "Auch nicht in der Bauwirtschaft." (Der Standard, Printausgabe 26./27.6.2004)