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Kampfeslustige Rebellen: Eine Gruppe von Mudjahedin fährt nach einem Scharmützel mit US-Truppen triumphierend durch die Straßen von Falluja.

Foto: REUTERS/Akram Saleh
Ein schattiger Garten in einem Weiler des Dorfes Tarmiya ist Schauplatz des Treffens mit Hamid. Der Exmajor der Republikanischen Garden ist heute aktiver Widerstandskämpfer und sehr misstrauisch. Auf dem Weg in die grüne Idylle am Tigris, rund 40 Kilometer nördlich von Bagdad, musste sich die Journalistin in eine schwarze, zeltartige Abbaya hüllen. Niemand sollte sehen, dass eine Fremde in diese Gegend kommt.

Tarmiya liegt nur wenige Kilometer von der Militärbasis Tajji entfert. Tajji war unter Saddam der größte Armeekomplex des Landes. Das Gelände wurde nach dem Krieg von den US-Truppen übernommen und beträchtlich erweitert. Die Straße führt vorbei an einem zerstörten Haus. "Hier ist kein Platz für Verräter", steht auf den Mauerresten. Der Hausbesitzer wurde davongejagt, weil er den Amerikanern Informationen über den lokalen Widerstand geliefert haben soll.

In geringer Entfernung stehen die verlassenen Gebäude einer Schule. Hunderte von Einschusslöchern zeugen von den heftigen Kämpfen, die hier erst kürzlich stattgefunden haben. Zwei mächtige US- Panzer kommen uns entgegen. "Die fahren nur spazieren, um die Guerilla aus ihren Verstecken zu locken. Das ist eine Falle", erklärt der irakische Begleiter, der Hamid dazu gebracht hat, mit uns zu reden.

"Am Anfang haben wir akzeptiert, dass die Amerikaner Saddam stürzen, denn wir haben alle unter diesem Tyrannen gelitten", schildert der Exoffizier die Tage nach dem Krieg. "Aber als wir zusehen mussten, wie die Soldaten die Zivilisten und vor allem unsere Frauen und Kinder schlecht behandelt haben, haben wir beschlossen, uns alle zusammenzutun, um sie gemeinsam aus unserem Land zu vertreiben." Besonders verärgert hat die Menschen des Dorfes der rüde Umgang mit ihrem Scheich, den die Soldaten mit Fußtritten traktierten. Scheich Luag al-Aish sitzt immer noch im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis. "Demokratie kann man nicht mit Panzern bringen. Wir Iraker sind stolz. Wir dulden keine fremden Waffen in unseren Häusern", betont Hamid.

Volksbewegung

Heute ist der Widerstand in dieser Gegend so etwas wie eine nationale Volksbewegung, der ehemalige Armeeangehörige, aber auch gewöhnliche Bürger als aktive Guerilla angehören. "Wir operieren in Zellen von sechs bis sieben Mann. Waffen haben die Stämme genug. Zuschlagen und wegrennen ist die Taktik. Das Ziel sind immer US-Soldaten", erklärt Hamid. Von Erfolgen möchte er aber nicht sprechen. "Das sind keine guten Taten, aber sie lassen uns keine andere Wahl."

Wortkarg wird der Mudjahed, wenn die Sprache auf die Kommandostruktur kommt. "Natürlich gibt es eine Organisation. Es gibt Leute, die uns sagen, wo und wann wir zu kämpfen haben. Aber diese Struktur ist so geheim wie jene des israelischen Geheimdienstes Mossad", sagt der Exmajor, der in den vergangenen Wochen auch in Falluja im Einsatz war.

Von den Anschlägen gegen Polizeistationen oder internationale Organisationen distanziert sich Hamid kategorisch. "Das sind ausländische Terroristen. Wir töten keine Iraker und verurteilen Sabotageakte gegen Ölpipelines oder Kraftwerke. Mit den Ausländern haben wir nichts zu tun. Im Gegenteil, gegen einzelne dieser Terroristen haben wir auch schon gekämpft", betont der 40-jährige Familienvater.

Dass die Souveränität offiziell an die Iraker übergeht, macht für ihn keinen Unterschied. Er ist überzeugt, dass die US-Regierung ihre Truppen auf lange Zeit im Irak stationiert lassen will, um die eigenen Interessen – vor allem das Öl – zu schützen. Damit wird auch der Widerstand unverändert weitergehen.

Von der neuen Regierung hält er nicht viel, denn in seinen Augen stehen ihre Mitglieder in den Diensten der USA und vertreten nicht das irakische Volk. Wenn eine gewählte Regierung mit Leuten im Amt ist, die das Leid der 35 Jahre im Irak selbst miterlebt und die volle Kontrolle über ihre Politik haben, könnte sich Hamid vorstellen, wieder in die Ränge der Armee zurückzukehren. Aber er macht sich keine Illusionen, dass das bald der Fall sein könnte. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2004)