Istanbul - Der afghanische Präsident Hamid Karzai hat die NATO aufgefordert, die zugesagte Truppenaufstockung in seinem Land sofort umzusetzen. "Afghanistan braucht diese Sicherheit heute, nicht morgen", sagte Karzai, dessen Regierung mit ausländischer Hilfe faktisch nur den Großraum Kabul kontrolliert, am Dienstag in einer Rede beim NATO-Gipfel in Istanbul. "Bitte beeilen sie sich!", rief er den Staats- und Regierungschefs der Allianz zu. Am letzten Tag des Gipfels zeichneten sich jedoch keine konkreten Zusagen ab.

Die Allianz hatte am Montag beschlossen, ihre Präsenz in Afghanistan auszuweiten, wo sie das Kommando über die internationale Schutztruppe ISAF führt. In den nächsten Monaten sollen bis zu 10.000 Soldaten für den Einsatz zur Verfügung stehen. Derzeit sind rund 6300 ISAF-Soldaten aus 36 Ländern in Afghanistan stationiert. Unklar blieb aber, wer die zusätzlichen Truppen stellen soll.

Nach einer Begegnung mit Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sagte Karzai, die zusätzliche Truppenentsendung werde für die Durchführung der auf September verschobenen allgemeinen Wahlen hilfreich sein. Die NATO-Entscheidung bringe der Bevölkerung in Afghanistan "ein Gefühl besserer Sicherheit", meinte Karzai. Terrorismus, Privatarmeen und Drogenhandel seien die größten Bedrohungen für sein Land. Nach Angaben des Präsidenten sind bereits rund 5,2 Millionen der über zehn Millionen Wähler registriert. Mit diesem Stand der Registrierung sei eine Wahl möglich.

Todesdrohungen

Die durch die US-Militärintervention entmachteten Taliban hatten wiederholt systematische Wahlsabotage angekündigt und ihre Landsleute, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen sollten, mit dem Tod bedroht. Eine Registrierung sei "gleichbedeutend mit Versklavung durch die USA", hatten die Taliban erklärt. Die Vereinten Nation hatten gewarnt, der September-Wahltermin sei unrealistisch, wenn sich die Sicherheitslage nicht deutlich verbessere. In jüngster Zeit ist die Zahl der Angriffe von Taliban- und Al-Kaida-Kämpfern besonders im Osten und Süden des Landes gestiegen.

Deutschland wird sein militärisches Engagement in Afghanistan nach den Worten von Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht mehr wesentlich erhöhen. Da Deutschland schon jetzt fast 2000 Soldaten für die ISAF stelle, gebe es "keinerlei Wünsche", dieses Kontingent noch einmal entscheidend zu erhöhen, sagte Schröder zum Abschluss des NATO-Gipfels. Die vom Bundestag festgelegte Obergrenze von 2300 Soldaten werde eingehalten; ob dieses Limit durch die Entsendung weiterer Soldaten ausgeschöpft werde, sei eine technische Frage, die vom Verteidigungsministerium zu klären sei. "Deutschland ist vorneweg, und mehr als vorneweg können wir ja nicht sein", meinte Schröder. Der Kanzler sagte, es habe auf dem Gipfel Ankündigungen hinsichtlich einer Truppenverstärkung gegeben, "die aber abstrakt geblieben sind". (APA/AP)