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Florian Mayer ist kein Boris Becker, aber er ist Deutscher, und er hat auch keine Angst davor, dass der andere verliert. "Er ist das größte Talent", sagt Becker.

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Wer weiß, was er will, holt sich, was er braucht Florian Mayer hat es definitiv geschafft, er steht im Viertelfinale von Wimbledon und wurde von Boris Becker gelobt. Titelverteidiger Roger Federer bezwang den Turm Karlovic und trifft nun auf den Kofavoriten Lleyton Hewitt. London - Boris Becker hatte Florian Mayer schon am Vormittag geadelt - fünf Stunden später machte der 20 Jahre alte Bayreuther sein Meisterstück und setzte seinen Erfolgsweg bis ins Viertelfinale von Wimbledon fort. In einem Tennis-Thriller bezwang Mayer den Schweden Joachim Johansson 6:3, 6:7 (5:7), 7:6 (7:5), 6:4. 24 Asse, 55 direkte Gewinnschläge, zehn unerzwungene Fehler. "Er hat keine Angst zu gewinnen", sagte Becker, "er ist ohne Zweifel das größte deutsche Nachwuchstalent."

Becker, der seinen ersten Sieg in Wimbledon vor 19 Jahren feierte, kennt den Bayreuther seit 1998, als der das Sichtungsturnier für sein Juniorteam in Hannover gewann. Mayer entschied sich aber damals für die Schule und gegen einen frühen Einstieg in die Tenniskarriere. Sein eigenes Beispiel habe eben keine Schule gemacht. Becker: "Das ist in Deutschland ein gesellschaftliches Problem. Ich würde gerne sehen, wenn man den Jungen früher eine Chance gibt, aber bei uns würde Wayne Rooney nicht in der Fußballnationalmannschaft spielen, weil er erst 18 ist."

Mayer wohnt in einem 20 Quadratmeter großen Appartement in Oberhaching, stand zu Beginn des Jahres auf Weltranglisten-Platz 260, die ersten 50 hat er bereits geknackt. 117.000 Euro hat er auch schon sicher, natürlich das weitaus höchste Preisgeld seiner Laufbahn. "Ich werde mir ein neues Auto kaufen", kündigte Mayer an. Bei den Australian Open war er in der zweiten Runde bereits letzter Deutscher im Feld. "Damals war ich total nervös, jetzt weiß ich, dass ich mit den Großen mitspielen kann", sagte er.

Mayer trifft im Viertelfinale auf Sebastien Grosjean (FRA/ 10), der Robby Ginepri (USA/ 27) 6:2, 6:2, 7:6 besiegte. Der zweite Deutsche, Alexander Popp, musste Andy Roddick, dem Zweiten der Weltrangliste weichen (5:7, 4:6, 4:6). Roddick kriegt nun Sjeng Schalken (NED/12), der Vince Spadea (USA/Nr. 30) mit 6:2, 7:5, 3:6, 6:2 ausschaltete. Roddick und Schalken eint die Erfahrung eines Hotelbrandes in Rom, bei dem Roddick dem Niederländer und dessen Frau Ricky bei der Flucht vor dem Feuer geholfen hatte. Der Brand hatte drei Menschenleben gefordert.

Titelverteidiger Roger Federer könnte in der oberen Hälfte des Rasters im Halbfinale auf Mayer treffen. Der Schweizer bezwang Ivo Karlovic (2,08 m) 6:3, 7:6 (7:3), 7:6 (7:5), muss aber im Viertelfinale erst an Lleyton Hewitt, dem Wimbledon-Champion 2002, vorbei. (josko - DER STANDARD PRINTAUSGABE 30.6. 2004)