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Dreitausend Jahre alte Mumie von, so nimmt man an, Pharao Ramses I.

Foto: reuters/naby
London - Nesperennub, der Priester, wurde nicht alt. Vierzig Jahre vielleicht, dann raffte ihn eine Krankheit hinweg. Das wichtigste Indiz: seine Zähne. Die waren noch so gut in Schuss, dass er kaum bis ins Greisenalter gelebt haben konnte.

Nesperennub ist eine Mumie, gebettet in einen doppelten Sarg. Er zählt zu den besterhaltenen Exemplaren des British Museum. Einiges ist schon länger über ihn bekannt: Im Tempel von Karnak huldigte er dem Gott Amun-Ra und dessen Sohn Khons. Er trug den Titel "Öffner der Türen des Himmels", was bedeutete, dass er die Türen zum Schrein aufschließen und zusperren durfte. Als "Wedelträger zur rechten Seite des Khons" durfte er auch an der Seite des Pharaos stehen.

Nesperennubs Skelett ist seit einem Röntgen in den Sechzigerjahren kein Geheimnis mehr. Aber woran starb er? Das Museum wollte Antworten finden. Mit der Computerfirma Silicon Graphics wagte sich John Taylor, Vizechef der Abteilung Altes Ägypten, an eine Weltpremiere: An einem Herbstabend des Jahres 2000 fuhr er die Mumie in ein Londoner Krankenhaus und schob sie im Gips-Leinen-Sarg in eine Röhre, wo sie per Tomografie schichtweise durchleuchtet wurde. Acht Stunden lang tastete sich das Team dreidimensional durch den toten Körper - eine virtuelle Forschungsreise, die das Museum jetzt seinen Besuchern zugänglich macht.

Ein 3-D-Film, der Höhepunkt der Ausstellung "Mummy: The Inside Story", führt ins Innenleben Nesperennubs. Über die Leinwand flimmern Aufnahmen: So schlummert ein schwarzsteinerner Skarabäus in der Mumienbrust. Das Amulett sollte das Herz, das nach altägyptischem Glauben sowohl Körper als auch Geist steuerte, vor den Nachforschungen der Götter abschirmen. Die Schneidezähne sehen gesund aus, sind aber abgeschliffen.

"Wir haben Rätsel gelöst, aber manches bleibt unklar", sagt Taylor. Über dem linken Auge des Tempelhüters entdeckte man etwa ein mysteriöses Loch. Es ist nur im Inneren des Schädels zu sehen, durchbohrt aber nicht die Stirn. Von einem Dolch wurde Nesperennub also nicht getroffen. Taylor tippt auf Gehirntumor. Mit dreitausendjähriger Verspätung wird die Autopsie demnächst fortgesetzt. (Frank Herrmann aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 7.7.2004)