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Foto: APA/Artinger/etat.at
Der "Kurier" bekommt im ORF seine Gala, die "Krone" bekommt im ORF ihre Gala, und das hat den Bemühungen um wechselseitige Rücksichtnahme gewiss nicht geschadet. Warum sollte also im österreichischen Mediensumpf nicht auch "Die Presse" ihre ORF-Gala bekommen? Gefragt - getan! Am Wochenende versteckte sich das Hauptblatt in einer redaktionellen Beilage, in der die Behauptung aufgestellt wurde, Österreich braucht einen Nobelpreis, und auch gleich die Geschichte dessen dargelegt, was man in der "Presse" für eine Idee hält.

Dieselbe besteht darin, dass Leser des Blattes in den nächsten Wochen ihren Österreicher des Jahres nominieren, drei Jurys daraus je fünf aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Humanität auswählen, von denen nach Siebung durch die Leserschaft je zwei übrig bleiben, die in der Fernsehsendung der Nation präsentiert werden. Dort tritt dann - ähnlich wie bei der Millionenshow - das Saalpublikum in Aktion. Es trifft die letzte Entscheidung über die Vergabe der drei Trophäen, die heuer "Austria 04" heißen sollen, "Austria 05" ist schon vorprogrammiert.

An so viel Öffentlichkeit sollten sich die Mauschler vom Stockholmer Nobelpreiskomitee ein Beispiel nehmen. Daher nicht überraschend: Die Bedeutung der "Austria" hat als Erster der ORF erkannt, man kann schließlich nie genug Freunde bei Zeitungen haben. Er hat sich rasch entschlossen, das Finale im Fernsehen zu übertragen. Und als Partner dieses nationalen Bauchaufschwungs haben wir die Wirtschaftskammer Österreich und die Österreichischen Lotterien gewinnen können, vermeldet der Bauchaufschwinger des Blattes, Andreas Unterberger, stolz.

Der letzte Versuch der "Presse", ihre Leser an einem Bauchaufschwung teilnehmen zu lassen, war noch kleiner angelegt. Er liegt schon an die acht Jahre zurück, damals sollten sie eine Landeshymne auf die Bundeshauptstadt dichten. Die eingesandten Texte waren leider nicht nobelpreiswürdig - kein Wunder, konnten damals doch weder die Wirtschaftskammer noch die Lotterien zum Bauchaufschwung gewonnen werden, und auch der ORF konnte sich nicht zum Mitschwingen entschließen.

Um den Lesern verständlich zu machen, was "Die Presse" unter Größe versteht, wurde ihnen als Orientierungshilfe unter dem Titel Österreich hat große Namen im Kleindruck eine lange Liste über den Kamm des Alphabets geschorener Persönlichkeiten und Personen mitgeliefert. Dass unter Österreichs großen Namen ein Armin Assinger, ein Christoph Leitl und ein Friedrich Stickler nicht fehlen dürfen, liegt auf der Hand. Der eine verkörpert die Idee der Millionenshow, wie sie "Die Presse" nun in patriotischer Überhöhung nachstellen will, unter sponsorischer Beihilfe jener Institutionen, die der zweite und der dritte repräsentieren.

Die beiden dürfen daher auch ihrer Begeisterung für die Aktion in Interviews Ausdruck verleihen, Christoph Leitl mit der fundamentalen Erkenntnis "Qualität setzt Qualifikation voraus", Friedrich Stickler als Unternehmensphilosoph mit der Sentenz "Die Lotterien sind gute Staatsbürger" und einem ausführlichen, dieselbe untermauernden Eigenlob unter der Devise: Tu Gutes - und rede nicht allzu oft darüber.

Die Elite des Austrofaschismus ist in der Liste der großen Namen Österreichs gut vertreten, weder Dollfuß noch Schuschnigg, weder Robert Hecht noch Rüdiger von Starhemberg fehlen. Von da zur Galerie lebender Größen der ÖVP ist es nicht weit. Schüssel, Khol, Mock sind selbstverständlich vertreten, sogar Othmar Karas und Vincenz Liechtenstein sind unvergessen, obwohl noch aktiv. Dass lebende Vertreter der Opposition fehlen, hat fast nichts zu besagen, auch aktiven Freiheitlichen bleibt der Zutritt ins Walhalla der Missgeburt verschlossen. Susanne Riess-Passer hat nur der Wandel von Schwarz-Blau zu Wüstenrot vor der damnatio memoriae durch "Die Presse" gerettet.

Dass Kurt Krenn ein großer Österreicher ist, wird gerade in diesen Tagen niemand bezweifeln, aber nur einer kann die Ehre beanspruchen, von der "Presse" gleich zweimal genannt zu werden: Gerhard Bronner. Schon weniger nachvollziehbar, vielleicht als eine Art Wiedergutmachung gemeint, ist die Aufnahme Cesare Battistis in die Ehrenhalle des Blattes. Immerhin: "Unter seinem Galgen stand Österreich", wie Claus Gatterer schrieb, nachdem man Battisti im Ersten Weltkrieg wegen Desertion unter bestialischen Umständen gehenkt hatte und österreichische Offiziere und Zivilisten sich blutdürstig erregt neben seiner Leiche fotografieren ließen.

Der Entschluss der "Presse", eine Art österreichischen "Nobelpreis" auszuschreiben, ist zweifellos ein riskantes Unterfangen, wird in einer das nationale Brimborium ergänzenden Glosse behauptet. Doch nicht, weil Andreas Unterberger meint: Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt?! Die ersten Vorschläge in der Montagnummer überschreiten keineswegs die behördlich gezogenen Grenzen der Fantasie: ein Psychiater, eine Anwaltskanzlei, eine Klosterschwester. Und die kostenlosen Werbezeiten im ORF machen den Entschluss der "Presse" zu einem völlig risikolosen Unterfangen.