Etwas seltsam wirkt es doch, dass sich Österreich bei der Nennung eines Kandidaten oder einer Kandidatin für seinen Posten in der EU-Kommission so viel Zeit lässt. Wüsste man nicht, dass die Regierung auch in der Außenpolitik dem Motto des Kanzlers "In der Ruhe liegt die Kraft" folgt, man könnte fast meinen, sie wäre ein bisschen beleidigt auf die Großkopferten in der Union. Weil die so mir nichts, dir nichts den Portugiesen José Barroso zum Kommissionspräsidenten gemacht haben statt des Österreichers Wolfgang Schüssel.

Dessen Tiroler Parteifreund Franz Fischler, der seit Jahren als einer der stärksten EU-Kommissare den Betrieb ganz gut kennt, mahnt zur Eile: Wenn sich Österreich nicht bald deklariere, könnten die guten Posten an andere, zeitiger Entschlossene vergeben werden. Der Kanzler mahnt zurück: Fischler wisse doch, wie die Dinge ge- und verhandelt werden, also immer mit der Ruhe.

Vielleicht hat Schüssel ohnehin schon alles gecheckt und wartet bloß noch auf den geeigneten Zeitpunkt, den Namen bekannt zu geben. Möglicherweise lässt der große Zauberer seinen Anhängern fürsorglich etwas Zeit, sich von den Strapazen der Staatstrauer und der erschöpfenden Freude über die gelungene Pensionsreform zu erholen, um ihnen das nächste Kunststück zu präsentieren: Möglicherweise ist ja schon ausgemacht, dass Österreich das Ressort Portugals bekommt, das durch den Wechsel Barrosos an die Spitze frei geworden ist. Das ist mit Justiz und Innerem ein schönes Feld, auf dem man sich angesichts der Bemühungen der EU um ein gemeinsames Sicherheitssystem sicher einige Lorbeeren verdienen kann. Im Sinn einer gelungenen Inszenierung der Bekanntgabe kann man schon ein wenig Geduld verlangen, das wird auch Fischler einsehen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 14.7.2004)