Einmal saßen wir in einem ärmlichen Bauernhaus, irgendwo zwischen dem damaligen Leningrad und Tallin. Da hing ein Hitler-Bild an der Wand. Wir saßen zu fünft und diskutierten heftig. Daraufhin zog einer die Pistole und schoss auf das Bild. Der Kommandeur war unterwegs und ich war Regimentsadjutant. Da habe ich gesagt: "So geht das nicht. Da müssen wir alle schießen." Damit war die nötige Solidarität gewahrt. Es ist eine lächerliche Geschichte, aber für die Entwicklung des Attentat-Gedankens wichtig. Einer, der dabei war, wurde später zum Adjutant von Stauffenberg und mit ihm gemeinsam ermordet.
1942 habe ich Stauffenberg kennen gelernt. Er war zwölf Jahre älter als ich. Ich habe ihn als sehr eindrucksvoll empfunden. Unsere Gespräche bezogen sich zunächst nicht auf politische Themen: Unsere Familien stammen aus Baden-Württemberg, auch er war auch ein Anhänger des Dichters Stefan George, den ich selbst noch kennen gelernt habe. Als ich später zusammen mit Bussche wieder beim Regiment war, ließ Stauffenberg über Fritz von der Schulenburg die Frage stellen, ob es einen jungen Offizier gebe, der bereit sein würde, eine neue Uniform bei Hitler vorzuführen und bei dieser Gelegenheit Hitler umzubringen - um den Preis, sich selbst dabei zu töten. Bussche war sofort bereit.
Das wurde dann auch vorbereitet. Er wurde zu Stauffenberg abkommandiert. Ich habe ihm die Reiseunterlagen nach Hause geschickt. Ich wusste nicht im Detail, worum es geht. In der damaligen Atmosphäre konnte man im Grunde genommen mit niemandem darüber sprechen. Aus dem Attentat wurde nichts, weil die Uniformen von Alliierten zerbombt wurden. Axel von dem Bussche war schwer verwundet und fiel für weitere Aktionen aus.
Schulenburg habe ich vier Wochen vor dem 20. Juli bei einem Heimaturlaub in Potsdam noch einmal getroffen. Da sagte er, dass es bald losgehen würde. Er hat sich bei mir vergewissert, dass ich im Rahmen meiner sehr unbedeutenden Möglichkeiten bereit sein würde, das zu machen, was gefordert wurde. Dann kam der 20. Juli 1944 - und das war ein schrecklicher Tag. Wir waren damals im heutigen Estland. Ich habe durch eine Radiomeldung vom Attentat erfahren.
Das Hauptmotiv des 20. Juli war nicht, bessere Kapitulationsbedingungen zu erreichen. Das Hauptmotiv war, dem Morden ein Ende zu bereiten, an der militärischen Front und in diesen schrecklichen Konzentrationslagern - auch wenn man dann nicht wusste, wie es weitergehen würde.