Zum 60. Jahrestag wird in Deutschland des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 gedacht - so hochrangig wie noch nie. Rund um diesen Tag konzentrieren sich die Gedenkveranstaltungen, mit denen die Vertreter der Bundesrepublik den Attentätern und deren Angehörigen Anerkennung zollen: Heute, Montag, wird Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Ausstellung "Vermächtnis und Erinnerung" in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnen. Am Dienstag werden beim Festakt Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzler Gerhard Schröder und der EU-Ratsvorsitzende, der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende, anwesend sein.

Anschließend werden im Bendlerblock junge Rekruten angelobt - genau dort, wo vor 60 Jahren Claus Schenk Graf von Stauffenberg und drei Mitverschwörer hingerichtet wurden, die am 20. Juli vergeblich versucht hatten, mit einer Bombe Hitler zu töten. Diese Tat wird von Historikern als wichtigstes Ereignis des deutschen Widerstandes eingestuft. Aber bis in die 80er-Jahre, so Gedenkstätten-Leiter Johannes Tuchel, wurde diese Tat nicht entsprechend gewürdigt, die Attentäter sogar als Landesverräter beschimpft.

Nach dem gescheiterten Anschlag wurden 1944 weitere Verschwörer hingerichtet, unter ihnen Adam von Trott zu Solz, damals 35 Jahre alt. Sein Bild sticht aus der Reihe von Porträtfotos auf der Kommode in der Berliner Dachgeschosswohnung heraus: hohe Stirn, schütteres Haar, entschlossener Blick. Clarita von Trott zu Solz sind von ihrem Mann und Vater ihrer zwei Töchter nur Fotos, Erinnerungen und Briefe geblieben. Sie zeugen vom Leben eines Suchenden, der zum Widerstandskämpfer gegen die Naziherrschaft wurde.

Parallel zu seiner offiziellen Arbeit im Auswärtigen Amt knüpfte Trott Kontakte zu Menschen im Widerstand. Er engagierte sich im so genannten "Kreisauer Kreis" um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg, deren Ziel eine Neuordnung Deutschlands nach dem Sturz des NS-Regimes war. Die Freundschaft mit Claus Graf von Stauffenberg sei "die menschliche Erfüllung" in Adams Leben gewesen, so die Witwe.

Während die Militärs die Ausführung des Anschlags planten, versuchte der Diplomat Trott Unterstützung durch die Alliierten zu bekommen. Mit dem erklärten Ziel der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands lehnten die Alliierten jegliche Zusammenarbeit mit deutschen Widerstandskämpfern ab.

Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, der als Offizier an der Ostfront von den Umsturzplänen damals wusste, berichtete jüngst vom Brief eines britischen Regierungsberaters, der nach dem 20. Juli 1944 an den damaligen Außenminister Anthony Eden geschrieben habe, es sei gut, dass der Anschlag gescheitert sei. Diese Akten sind in Großbritannien bis heute nicht zugänglich.

Die Frage, ob sie über die Aktivitäten ihres Mannes Bescheid wusste, weist Clarita von Trott, die trotz ihres Alters - Jahrgang 1917 - unglaublich aktiv ist, im Gespräch mit dem STANDARD fast entrüstet zurück: "Ich habe ihn doch geheiratet, weil ich endlich jemanden gefunden habe, der etwas macht."

Die Attentäter seien "keine Helden" gewesen, meint die Witwe. Sie hätten sich nichts vorgemacht. Was sie, die fünffache Großmutter, vor allem an junge Menschen als Erbe des 20. Juli weitergeben wolle? Orientierung, meint die pensionierte Psychoanalytikerin: "Dass man Mut hat, wenn es notwendig ist. Ein Mut, der nicht tollkühn ist. Dass man sich Menschen sucht, zu denen man Vertrauen hat, und die Selbstachtung nie verliert." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19 7. 2004)